Stadt der Blumen strava3
Vielleicht kennst du gar meinen Bruder Falco?«
Ein unheimliches Gefühl überfiel Sky. »Georgia – wie weiter?«, fragte er.
Gaetano überlegte kurz. »Als sie hier war – also, nicht hier in dieser Stadt, sondern in Remora –, gab sie vor ein Junge zu sein und hieß Giorgio Gredi. Ich weiß nicht, wie sie tatsächlich hieß.«
»Ich glaube, ich weiß es«, sagte Sky langsam. »Sie müssen Georgia O’Grady meinen. Sie geht auf dieselbe Schule wie ich.«
Ihm schwirrte der Kopf. Georgia O’Grady war die auffallende, abweisende Freundin von Alice, das tätowierte Mädchen mit den roten Haaren.
»Aber wenn du Georgia kennst, dann musst du auch Falco kennen!«, sagte Gaetano mit leuchtendem Blick. Er kam um die Bank herum und packte Sky bei den Armen. »Ein schöner Junge, ganz anders als ich. Ein Junge mit schwarzen Locken, ein guter Reiter und Fechter …« Seine Stimme brach. »Er ist mein kleiner Bruder«, fuhr er fort, »und ich werde ihn wohl nie wieder sehen. Wenn du irgendwas von ihm weißt, erzähl es mir bitte.«
Es war vor einiger Zeit das wichtigste Schulgespräch gewesen, erinnerte sich Sky, die Freundschaft zwischen Georgia und dem Jungen, auf den die Beschreibung passte. Es hatte alle möglichen Gerüchte gegeben, weil Georgia in der zehnten Klasse und der Junge zwei Klassen unter ihr war. So was war zwar nicht ausgeschlossen, aber immer noch ungewöhnlich. Aber die beiden hatten jeglichen Kommentar verweigert und waren einfach Freunde geblieben.
Daher sagte er jetzt: »Es gibt tatsächlich so einen Jungen, ein enger Freund von Georgia, aber er heißt nicht so, wie Sie gesagt haben. Sein Name ist Nicholas Herzog.«
Das Bild des Marmorknaben mit dem Hund kam Sky in den Sinn, als er das sagte, und er hatte das Gefühl, dass die Welt auf dem Kopfstand. Ihm wurde schwindelig. Dennoch wusste Sky instinktiv, dass der Junge, den er Nicholas nannte, der verlorene Bruder dieses liebenswürdigen Prinzen war. Nur was um alles in der Welt machte er auf der Barnsbury-Gesamtschule? Dann fiel ihm noch etwas ein, das er von Nicholas wusste. Er lebte bei den Eltern von Lucien, der gestorben war – oder der jetzt in Talia lebte.
Sky spürte, wie er von zwei starken Armen aufgefangen wurde, als seine Knie unter ihm nachgaben.
»Zeit für die Heimreise, denke ich«, sagte Sulien. »Das reicht wirklich für einen Besuch.«
Kapitel 4
Geheimnisse
Rosalind musste Sky am nächsten Morgen schütteln, um ihn wach zu bekommen.
Gewöhnlich war er als Erster auf, sprang aus dem Bett, sobald der Wecker klingelte, und ging schnurstracks unter die Dusche. Aber heute sah er sie an, als wisse er gar nicht, wer sie sei, so benommen war er noch. »Komm schon, mein Hübscher«, sagte sie. »Ich weiß ja, dass wir direkt neben der Schule wohnen, aber du musst dich trotzdem beeilen. Es ist schon Viertel nach acht!«
»Mum!«, sagte er und allmählich entzog er sich der Erinnerung an Giglia und landete wieder in seinem Leben in Islington.
»Wer sonst?« Rosalind musste lächeln. Sky fiel auf, dass sie wieder gut aussah.
Das war jetzt schon der zweite Tag in Folge. »Du hättest mich eher wecken sollen«, sagte er vorwurfsvoll, auch wenn er eher auf sich selbst böse war. »Ich kann doch nicht in die Schule abhauen und dir die ganze Arbeit überlassen.«
»Welche Arbeit?«, erwiderte seine Mutter. »Es gibt doch nichts Dringendes. Das Frühstück ist fertig – du musst nur schnell duschen und dann kannst du dich an den Tisch setzen. Alles unter Kontrolle.«
Unter dem heißen Strahl der Dusche ließ sich Sky seine seltsamen Erlebnisse durch den Kopf gehen. Es kam ihm vor, als ob alles, was er immer für gegeben genommen hatte, völlig außer Kontrolle geriet. Wenn das stimmte, was er von Sulien und Gaetano gehört hatte, war er kein normaler Junge aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert mit einer kranken Mutter, sondern er war ein Zeitreisender! Das Mädchen, das ihm so gefiel – doch, er gestand es sich jetzt ein –, war die beste Freundin einer weiteren Raum- und Zeit-Reisenden und deren engster Freund war wiederum ein toter Prinz aus einem längst vergangenen Jahrhundert. Ein Prinz, der den Platz mit noch einem Schüler getauscht zu haben schien, der inzwischen in einer Welt von Zauberern und Herzogen, Silber und Verrat lebte.
Er schüttelte das Wasser aus seinen dicken Locken. Er musste mit dem Bewusstsein in die Schule gehen, dass weder Georgia noch Nicholas das waren, was sie vorgaben. Das war ein noch viel
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