Stadt der Blumen strava3
größeres Geheimnis als einen Rockstar zum Vater zu haben. Doch Sky hatte bereits versprochen als Bote zwischen Gaetano und Nicholas zu fungieren; er hatte einfach nicht ablehnen können, als er sah, wie bewegt der Prinz aus Giglia über den Verlust seines Bruders war. Es war etwas, das sich wohl jeder wünschte, der einen Menschen durch Tod verloren hatte, nahm Sky an. Sich vorzustellen, dass derjenige in einer besseren Welt war – und dass es immer noch möglich wäre, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Sandro gefiel seine neue Freundschaft gut. Ein Mönch, wenn auch nur ein Novize, war eine ideale Tarnung für verruchte Taten. Aber es war noch mehr; Sandro mochte diesen großen, dunkelhäutigen Jungen, der sich für alles, was man ihm erzählte, lebhaft interessierte und der keine Ahnung hatte, wie die Dinge in Giglia abliefen. Sandro fand es schön, mehr zu wissen als ein anderer und ihm davon zu erzählen. Der neue Mönch war in der Stadt der Blumen wie ein Lamm unter lauter Wölfen. Außerdem war es ihm insgeheim eine zusätzliche Genugtuung, dass Tino als Mönch alle möglichen Dinge wissen musste, die er, Sandro, nicht kannte – all die Gelehrsamkeit, die Kirchenleute hatten.
Soweit Sandro wusste, hatte er nie einen Bruder gehabt, aber er hatte sich immer eine große Familie vorgestellt: einen Vater wie den Aal, eine Mutter wie die Madonna, einen großen Bruder, der ihn beschützte, und einen kleinen, den er herumkommandieren konnte. Jetzt hatte er den Eindruck, das er in Tino beide Brüder gleichzeitig gefunden hatte.
»Hätte allerdings nie gedacht, dass es ein Schwarzer ist«, sagte Sandro zu sich selbst. »Welche Geschichte wohl dahinter steckt? Der Aal interessiert sich für Sulien. Vielleicht ist dieser Tino ja das Ergebnis eines heimlichen Skandals?«
Er beschloss die Sache zu ergründen, aber seinem Herrn nicht unbedingt etwas davon zu erzählen. Immerhin hatte Bruder Sulien ihn ja immer gut behandelt und ihn mehr als einmal in die Küche von Santa-Maria-im-Weingarten mitgenommen und ihn durchgefüttert – in den Tagen, bevor er von dem Aal angeheuert worden war. Und was diesen Tino anging, ihn und die Geheimnisse, die ihn betrafen, wollte er in Schutz nehmen. Selbst nach nur einer Begegnung war der seltsame Anglianer eindeutig sein Freund. Und Sandro hatte noch nie zuvor einen Freund gehabt.
Nicholas Herzog war der Fecht-Champion der Barnsbury-Gesamtschule, eine wahre Berühmtheit! Erst zu Beginn der letzten Klasse war er mit verkrüppeltem Bein eingetreten und hatte nur an Krücken gehen können. Mehrere Operationen und monatelange Krankengymnastik sowie ein unmenschliches Trainingsprogramm hatten bewirkt, dass er einen athletischeren Körperbau bekam und sich so geschmeidig bewegen konnte, wie man es anderthalb Jahre zuvor nicht für möglich gehalten hätte.
Nicholas war von einem Geheimnis umgeben. Er war als Findelkind aufgegriffen worden und hatte angeblich sein Gedächtnis verloren. Aber er war klug und in Mathematik, Französisch und Englisch bald unter den Besten. Die naturwissenschaftlichen Fächer und Sozialkunde waren nicht seine starken Seiten, aber auch dort machte er Fortschritte. Und er war gut in Kunst und Musik. Doch die wahre Überraschung war es gewesen, dass er, sobald er das Gleichgewicht halten und ohne Krücken gehen konnte, dem Fechtteam beigetreten war.
»Du musst das schon früher gemacht haben«, sagte Mr Lovegrove, der Fechtlehrer, nachdem er ihm zum ersten Mal zugesehen hatte.
Und Nicholas hatte erfreut gestrahlt. »Das muss ich wohl«, sagte er jedoch nur.
Nick Herzog hatte praktisch im Alleingang Fechten zu einem Lieblingsfach an der Barnsbury-Gesamtschule gemacht. Bei den Mädchen war Nicolas wegen seines traumhaft guten Aussehens beliebt, vor allem, seitdem er mit seiner schmalen Figur, seinem engelhaften Lächeln und den schwarzen Locken auch noch gewachsen war. Sie ärgerten sich ziemlich, dass er so offenkundig an einem Mädchen hing, das zwei Klassen über ihm war, sodass keine von ihnen eine Chance zu haben schien.
Bei den Jungen war er auch beliebt; selbst die, die ihn vielleicht wegen seines mädchenhaften Aussehens verspottet hätten, waren von seinem eisenharten Fitness-Training und seinem geschickten Umgang mit dem Florett beeindruckt. Allmählich bekam Nicholas sogar Muskeln – er konnte gut reiten und nahm jedes Wochenende Reitstunden. Als er in die nächste Klasse kam, war er so fit, dass es gefährlich gewesen wäre, sich mit ihm einzulassen,
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