Stadt der Blumen strava3
schon über ein Jahr vergangen seit Luciens Transfiguration nach Talia und dann hatte es noch die Zeitverschiebung gegeben, als Falco in Remora gestorben war. Sky musste jetzt wohl in der gleichen Stufe wie Georgia sein.
»Ich habe ihn durch Bruder Suliens Spiegel gesehen«, sagte Rodolfo. »Ein sympathischer, junger Mann, schwarz wie Sulien. Ich freue mich sehr, dass der Mönch einen neuen Stravagante hergebracht hat. In der Stadt braut sich etwas zusammen.«
»Ganz recht«, pflichtete Dethridge bei. »Wo die Chimici ihr Heim haben, wird immer Unheil lauern. Vor allem dort, wo der Herzog lebt.«
»Wir haben heute von ihm gehört«, sagte Rodolfo vorsichtig, ohne Lucien anzusehen. »Er will Arianna ein Kleid schicken, das sie bei den Hochzeiten tragen soll.«
Lucien war beunruhigt. »Ist das üblich?«, fragte er.
»Er hat sonst auch schon Geschenke gesandt«, erwiderte Rodolfo. »Das ist zwischen Regenten Gepflogenheit. Aber er will, dass sie das Kleidungsstück trägt, und es ist ein viel persönlicheres Geschenk als jemals zuvor.«
»Und was mag das bedeuten?«, fragte Lucien.
»Es bedeutet Unbill, dessen könnt ihr gewiss sein«, sagte Dethridge.
Lucien war die altmodische Ausdrucksweise des Elisabethaners inzwischen gewöhnt. Er stimmte ihm zu, dass alles, was Herzog Niccolò plante, Unheil bedeutete.
Alice erwartete sie in der Kantine und schien überrascht, dass das zufällige Treffen vom Tag zuvor schon eine Fechtstunde und eine Freundschaft zwischen den
dreien nach sich gezogen hatte. Aber es störte sie nicht. Es bot ihr die Gelegenheit, Sky besser kennen zu lernen. »Weiß Alice über euch beide Bescheid?«, wollte Sky von Nicholas wissen, als sie in die Klassen zurückgingen. »Was glaubst du denn?«, sagte Nicholas. »Hättest du jemals jemand von Talia erzählt, wenn du nicht gewusst hättest, dass ich von dort komme?«
»Das ist aber schwierig«, sagte Sky. »Wundert sie sich nicht, dass ihr befreundet seid?«
»Georgia hat einfach gesagt, dass sie sich für mich verantwortlich fühlt«, erklärte Nicholas. Er sah plötzlich bekümmert aus. »Und Alice glaubt ihr, weil mich Georgia ja angeblich in dieser Welt gefunden und zu Lucianos Eltern gebracht hat –
Lucien, wie ihr ihn nennt.«
Sky merkte, wie es um Nicholas stand, und erfühlte mit ihm. Nicholas betete Georgia offensichtlich an, fürchtete jedoch, dass sie niemals mehr für ihn empfinden würde als schwesterliche Freundschaft.
Schnell wechselte er das Thema. Der Nachmittagsunterricht fing gleich an und ihre Stunden fanden in unterschiedlichen Gebäuden statt.
»Hast du in deinem alten Leben Bruder Sulien gekannt?«, fragte er. »Glaubst du, dass er möglicherweise etwas mit der Herstellung von Gift zu tun haben könnte?«
Zu seiner Verwunderung sah Nicholas immer noch unglücklich aus. Er schüttelte den Kopf. »Nein, den habe ich nicht gekannt. Es war ein anderer Mönch für die Farmacia zuständig, als ich das letzte Mal dort war. Aber ich weiß, dass Santa-Maria-im-Weingarten Gift zur Verfügung stellt. Es gibt irgendwo im Kloster ein zweites Geheimlaboratorium. Von dort hat meine Familie früher oft Gift herbekommen.«
Herzog Niccolò zog Carlo als Ersten in sein Vertrauen. Sie hatten ihr wöchentliches Geschäftstreffen beendet und nahmen gemeinsam ein privates Essen in dem kleinen Speiseraum des alten Palazzo ein. Nur ein Diener war anwesend.
»Es sind jetzt keine zwei Monate mehr bis zu den Hochzeiten«, sagte der Herzog.
»Am Abend davor werde ich eine wichtige Ankündigung machen.«
Carlo machte ein erwartungsvolles Gesicht und nahm sich Polenta und eine üppige Portion Wildschweingulasch. Die Schüssel mit Pilzen, die ihm der Diener hinhielt, wies er jedoch zurück.
»Die Gesetze dafür sind schon geregelt«, sagte Niccolò und ließ zu, dass ihm der Diener zu seiner viel kleineren Portion Pilze auftat. »Ich habe vor den Titel
›Großherzog von ganz Tuschia‹ anzunehmen.«
Was immer Carlo erwartet hatte, das war es nicht gewesen. »Darfst du denn das?«, fragte er ziemlich brüsk.
Sein Vater zog die Brauen hoch. »Ich kann nicht erkennen, warum nicht«, sagte er. »Unsere Familienmitglieder regieren schließlich in allen wichtigen Stadtstaaten Tuschias – Moresco, Remora, Fortezza – und sie würden sich meinen Bestrebungen, als Oberhaupt der Familie so einen Titel zu tragen, sicher nicht widersetzen.«
»Natürlich nicht, Vater«, sagte Carlo hastig. »Es tut mir Leid. Ich war nur so überrascht, das
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