Stadt der Engel
Gruppen teilten, die symmetrisch, immer weiter singend und klatschend, von den beiden Seiten her die Plätze einnahmen, die steil ansteigend hinter der Kanzel, der Gemeinde gegenüber, angeordnet waren, dann wurde groß und lange gesungen, zum Entzücken der Zuhörer, eine Solistin trat aus dem Chor an ein Mikrofon, mit Beifall und Zurufen empfangen, ihre strahlende Stimme öffnete die Herzen, anders kann ich es nicht sagen, die Sängerin trat winkend in den Chor zurück, der weiter sang, sang, lobpries und jubilierte. Fast unbemerkt war einer der minister auf die Kanzel getreten, jetzt sah ich, die anderen minister saßen links und rechts von ihm auf den Bänken, er begann die Liturgie im Wechselgespräch und -gesang mit der Gemeinde.
Mein Blick fiel auf eine elegante Frau in der ersten Reihe in einem grasgrünen, knapp sitzenden Kostüm, ein grünweißes Hütchen auf dem Kopf, weiße Baumwollhandschuhe an den Händen, sie sprang auf, antwortete laut auf die Fragen des ministers, yes, Er ist der Herr mein Gott, yes, ich glaube an Ihn und seinen eingeborenen Sohn, no, ich will keine anderen Götter haben neben Ihm. Die Frau warf die Arme hoch, wiegtesich im Rhythmus des wieder einsetzenden Chores, ein zweiter minister stand jetzt auf der Kanzel und sprach fröhlich das Sündenbekenntnis und ebenfalls fröhlich und der Erhörung gewiß die Bitte um Vergebung, der Gott dieser Menschen schien kein eifernder Gott zu sein, keiner, der auf Zerknirschung und Reue bestand, er schien zu wissen, daß es seinen Kindern unmöglich war, seine Gebote einzuhalten, eigentlich war es schon viel in dieser Welt, die auch er nicht ändern konnte, daß sie sich Mühe gaben und daß es ihnen leid tat, wenn es wieder nicht ganz klappen wollte mit dem Gutsein und mit der Vermeidung des Bösen, das nächste Mal mochte es vielleicht besser gelingen, wenn der Vater im Himmel es ihnen diesmal noch nachsehen wollte, das tat er zweifellos, der minister wußte es und dankte ihm dafür, und aus vollem Herzen stimmte die Gemeinde in diesen Dank ein, und ich spürte, nichts könnte mich stärker von ihr absondern als dieses Bekenntnis- und Vergebungsritual, aber ich konnte diesem schmerzlichen Gefühl nicht nachhängen, denn jetzt stellte ein weiblicher minister uns, die Gäste, vor, und ich sah, daß außer uns noch einige Weiße in der Kirche waren, darunter ein paar Bekannte aus dem CENTER, alle hatten wir aufzustehen, und die Gemeinde wurde gebeten, uns zu begrüßen, das tat sie. Zuerst umarmten uns unsere unmittelbaren Nachbarn, dann kamen entfernter Sitzende, sie standen in einer kleinen Schlange, ich spürte viele schwarze Wangen an meiner Wange, hörte viele Stimmen welcome sagen, ich begann zu lächeln, zu lachen, mich wohl zu fühlen.
Der Gottesdienst nahm seinen Lauf, an- und abschwellender Chorgesang. Jetzt stand der Reverend auf der Kanzel, gütig und selbstbewußt lächelnd quittierte er die freudige Begrüßung durch die Gemeinde. Heute wolle er zu uns darüber sprechen, daß es an uns liege, jeden Tag unser Leben zu ändern und ein neues zu beginnen. Yeah! riefen viele, right! rief die Frau im grünen Kostüm, der Reverend winkte ihr zu, sie winkte begeistert zurück. Der Reverend begann zu sprechen. Er hatte ein Froschgesicht mit unglaublich beweglichen Lippen, fast jederseiner Sätze wurde mit Jubel und Zustimmung aufgenommen, oh yes, you’re right, die minister im Hintergrund bildeten den Chor, bar jeder Tragik, mit Mimik und Gestik drückten sie aus: Isn’t he wonderful? Manchmal sprang eine oder einer auf, um es laut zu rufen: Great! Wonderful!, manchmal buffte einer der minister dem Reverend vor Begeisterung in die Rippen, der machte ein paar Sidesteps im Rockrythmus, das gefiel, er gab eine kleine Rock-Einlage, die Gemeinde sprang auf und jubelte, die Frau im grünen Kostüm legte vor der ersten Reihe ein Solo hin, das den Beifall ihrer Nachbarn fand, der Reverend lachte aus vollem Hals und erklärte seinen Leuten, er habe keine Mühe, sich vorzustellen, daß jeder und jede von ihnen noch heute, einfach so, alles ganz neu sehen könne, nämlich mit den Augen der Liebe, und daß es ihnen dann ganz leichtfallen würde, mit Hilfe des Herrn ihr Leben einfach umzukrempeln wie einen alten Hut, der bei ihm zu Hause an der Garderobe hänge und den viele von euch, sagte er, doch kennen. Freilich, o ja, sie kannten den Hut, sie beschrieben ihn sich gegenseitig und hielten es für einen der genialen Einfälle ihres Reverends, ihr
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