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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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weiter funktionieren konnte – , das alles schwoll nun zu einem unerträglichen Druck an. Ich rang darum, es drinnen zu halten, doch das war, als wollte man dem Gezeitenstrom Einhalt gebieten. Ich musste nur ein kleines bisschen nachgeben, dann riss die Flut sämtliche Dämme weg und drohte mich zu ertränken.
    Mein Rückgrat verwandelte sich in feuchte Watte. Ich schlang mir die Arme um den Oberkörper, versuchte mich aufrecht zu halten, zu verhindern, dass ich zusammensackte. Ein Klumpen saß mir in der Kehle. Mein Herz raste. Ich hatte Schmerzen, richtige Schmerzen, und verstand nicht mal, woher sie kamen. Ich wusste nur, dass mir alles wehtat. Mir war eiskalt, gleichzeitig glühte ich innerlich, und ich musste die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht anfingen zu klappern.
    »Kate?« Dereks Stimme klang besorgt. Wenn ich nur wieder sprechen konnte, würde alles gut werden.
    Ich hätte so gern geweint. Ich hätte es dringend gebraucht, oder irgendein anderes Ventil, doch meine Augen blieben trocken, und der Druck blieb in mir eingeschlossen und marterte mich mit Schmerzen.
    Derek hob sich von dem Kopfkissen, mir entgegen. Er war nun ganz blass, sein Gesicht maskenhaft starr. »Es tut mir leid.«
    Er lehnte seine Stirn an mein Haar, legte mir seine Arme um die Schultern. Ich hing da, in meine eigene schmerzerfüllte Welt eingesperrt, wie ein kleines Etwas mitten in einem Sturm.
    »So was darfst du mir nie wieder antun.« Meine Stimme klang wie eingerostet, wie jahrelang nicht mehr gebraucht. »Du darfst mir nie wieder zeigen, dass du in Schwierigkeiten steckst, und dir dann nicht von mir helfen lassen.«
    »Kommt nicht wieder vor«, versprach er.
    »Ich ertrage die Schuldgefühle nicht.«
    »Ich mach’s nie wieder. Versprochen.«
    Alle, die mir lieb und teuer waren, starben, und zwar auf schreckliche Weise. Meine Mutter kam ums Leben, als sie Roland einen Dolch ins Auge stieß, weil er mir nach dem Leben trachtete. Sie wurde mir genommen, ehe ich auch nur die Chance hatte, mir ein Bild von ihr zu machen, an das ich mich später erinnern konnte. Mein Vater war in seinem Bett gestorben. Und ich wusste nicht einmal, wie und wieso. Er hatte mich als Trainingsmaßnahme für drei Tage, nur mit einem Messer ausgestattet, in die Wildnis geschickt. Den Gestank hatte ich schon zehn Meter vor der Haustür wahrgenommen. Ich fand ihn in seinem Bett. Er war aufgebläht. Seine Haut hatte Blasen geschlagen, und Flüssigkeiten waren aus ihm herausgelaufen. Er hatte sich selbst ein Schwert in den Bauch gerammt. Er hielt es noch in der Hand. Damals war ich fünfzehn Jahre alt.
    Greg kam bei einem Einsatz ums Leben. Wir hatten uns einige Wochen zuvor gestritten und uns anschließend nicht wieder versöhnt. Er war zerfleischt worden, war vollkommen entstellt.
    Bran war von hinten erdolcht worden. Er war beinahe unsterblich gewesen, war dann aber doch gestorben, in meinen Armen. Ich hatte so verzweifelt versucht, ihn am Leben zu erhalten, dass ich ihn beinahe dem Untod ausgeliefert hätte.
    Es war, als würde der Tod mich verfolgen wie ein grausamer, feiger Feind. Er verhöhnte mich und fraß die Ränder meiner Welt, indem er mir die raubte, die mir lieb und teuer waren. Er tötete nicht nur, er löschte aus. Und jedes Mal, wenn ich einen kurzen Moment nicht aufpasste, entriss er mir wieder einen meiner Freunde und trat ihn in den Staub.
    Derek hatte ganz genau in dieses Muster gepasst. Ein Teil von mir hatte mit absoluter Sicherheit gewusst, dass er ebenso sterben würde wie die anderen. Ich hatte es mir so lebhaft vorgestellt, dass ich mich förmlich sehen konnte, wie ich mich über seine Leiche beugte.
    All das zu erklären wäre ein langwieriges und schmerzhaftes Unterfangen gewesen. »Ich dachte, du stirbst«, sagte ich stattdessen nur.
    »Ja, das wäre ich auch fast. Es tut mir leid.«
    So saßen wir eine ganze Zeit lang da. Als sich der Sturm in mir schließlich legte, regte ich mich, und Derek ließ mich los, wandte sich ab und verbarg sein Gesicht. Und als er mich wieder ansah, hatte er wieder die gefasste Fassade des Rudelwolfs angenommen.
    »Wir sind echt die Allerhärtesten«, sagte ich.
    »Kann man wohl sagen. Nicht kaputt zu kriegen«, erwiderte er und verzog das Gesicht.
    »Erzähl mir von dem Mädchen.«
    »Sie heißt Olivia«, sagte er. »Livie. Ich hab sie bei den Games kennengelernt. Sobald die Kämpfe begannen, konnte sie sich immer für ein Weilchen wegschleichen, dann haben wir uns unterhalten. Sie ist noch

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