Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
aus der Haut fahren ließ.
»Und was hast du getan?«
»Ich ging durch diesen Saal, und eine Gruppe junger Gestaltwandler stellte sich mir in den Weg und quatschte mich dumm von der Seite an. Mir war klar, dass Curran sie dazu angestiftet hatte, weil er sehen wollte, wie ich darauf reagieren würde. Und einer von ihnen wagte es, mich anzutatschen, und den habe ich mir mit einem Macht-Wort geschnappt und dazu gebracht, mich vor den anderen zu beschützen.«
»Derek«, sagte Julie.
»Genau. Das wuchs sich dann noch zu einem mittleren Drama aus, weil Curran glaubte, ich hätte ihn herausgefordert, indem ich seinen Wolf übernommen hatte … « Ich machte eine hilflose Handbewegung. »Letztendlich legte Derek dann einen Bluteid ab, mich zu beschützen, und das nur, damit Curran ihn nicht töten musste. Er ist von diesem Eid schon längst wieder entbunden, aber du weißt ja, wie er ist. Er fühlt sich für mich verantwortlich, und mir geht es mit ihm genauso – «
Mit einem heiseren Schrei richtete sich Derek auf und riss sich die Infusionsschläuche aus den Armen.
»Hol Doolittle!« Ich stürzte auf den Tank zu.
Pranken packten mich. Verstört blickende Augen leuchteten weiß aus dem entstellten Gesicht hervor. Er griff nach mir, zerdrückte mir fast die Arme und stieß qualvolle Schreie aus.
»Du bist in Sicherheit!«, schrie ich ihm ins Ohr. »Es ist alles gut, alles gut … «
Seine Haut schwoll an, war drauf und dran aufzuplatzen. Die dunkle Kerbe seines Munds klaffte. »Das tut so weh! So weh!«
Und dann war Doolittle mit einer Spritze zur Stelle, und Raphaels lange Finger umschlossen Dereks Handgelenke und pressten Druckpunkte, um ihn dazu zu bringen, mich loszulassen, doch Derek hielt sich mit aller Kraft an mir fest. Er riss mich von den Füßen und in das Becken hinein. Er klammerte sich an meine Schultern und riss mir mit den Fingernägeln die Haut auf.
»Es tut so weh!«
»Holt sie raus!« Doolittle hieb Derek die Spritze in den Arm, doch es zeigte keinerlei Wirkung. »Die Schmerzen sind zu viel für ihn! Er wird zum Loup!«
Raphael rang mit Dereks Armen, versuchte ihn von mir zu lösen, doch Derek klammerte sich nur umso fester an mich. Doolittle warf die Spritze beiseite und packte Dereks linkes Handgelenk. Nun brachen Reißzähne zwischen Dereks entstellten Lippen hervor.
»Holt sie raus!«, schrie Doolittle.
Jemand stopfte Derek ein blutiges Stück Fleisch in den Mund. Da ließ er mich los, packte mit beiden Händen das Fleisch und zerfetzte es förmlich. Blutspritzer und Fleischfetzen flogen umher. Ich machte, dass ich aus dem Becken kam.
Auf der anderen Seite des Tanks ließ Jim ein weiteres rohes Rib-Eye-Steak vor Dereks Nase baumeln. Derek riss es ihm aus der Hand und schlang es wie rasend hinunter.
Jims melodiöse Stimme klang nun wie ein Wiegenlied. »Friss, mein kleiner Wolf, friss. Du bist in Sicherheit. Ja, gut so. Lass den Wahnsinn hinter dir zurück.«
Das entsetzlich zugerichtete Wesen, das Derek nun war, knurrte nur und stopfte sich das Fleisch ins Maul. Die unheimlichen Geräusche eines fressenden Raubtiers erfüllten den Raum. Ich schüttelte mir die grüne Flüssigkeit von den Armen und sah Julie in der Tür stehen, weiß wie eine Wand, den Blick starr auf Derek gerichtet.
Jim schob sie aus dem Weg, lief hinaus und kam mit einem Trog voll rohem Hackfleisch wieder. Er stellte den Trog auf dem Fußboden ab. Derek stützte sich auf alle viere, wobei ihn allerdings seine gebrochenen Beine im Stich ließen, und klatschte mit dem Gesicht voran in das Hackfleisch. Ich ging zur Tür und nahm Julie bei der Schulter.
Sie löste sich aus meinem Griff. »Nein.«
»Wir müssen uns das nicht ansehen.«
In einer hinteren Ecke schwang Doolittle eine schwere Ledertasche auf einen Tisch und klappte sie auf. Edelstahlklingen schimmerten ordentlich aufgereiht.
»Aber … «
»Nein.«
Ich schob sie aus dem Raum heraus. Raphael schloss die Tür hinter uns und half mir, die schreiende Julie wegzuschaffen.
Der Küchenschrank enthielt zahlreiche hölzerne Gefäße, die mit von Hand beschriebenen Klebeetiketten versehen waren. Das Gefäß mit der Aufschrift ZUCKER enthielt Mehl. In dem mit der Aufschrift MEHL befand sich eine Unmenge Chilipulver, das mich zum Niesen brachte. In dem Gefäß mit der Aufschrift CHILIPULVER fand ich eine Pistole vom Typ Smith&Wesson M&P, Kaliber.45. Ich knurrte. Ich war neben Julie auf der Couch eingeschlafen und fünf Stunden später wieder aufgewacht,
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