Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Überparteilichkeit verpflichtet. Wenn ich erst einmal mit dem Chef der Gestaltwandler geschlafen hatte, würde sich niemand mehr auf irgendwelche Abmachungen mit mir einlassen. Und was viel wichtiger war: Wenn Curran schließlich das Interesse an dem verlor, was ich ihm zu bieten hatte, würde er mir damit unwiderruflich das Herz brechen, wohingegen er selber ungerührt weiter seiner Wege ziehen würde.
All das war mir klar, dennoch wollte ich ihn. Er zog mich an wie ein Magnet. Ich wollte ihn dringender, als ich jemals in meinem ganzen Leben jemanden gewollt hatte. Für diesen kurzen Augenblick hatte er mir das Gefühl gegeben, geborgen zu sein, gewollt, gebraucht, begehrenswert, doch das war nur eine Illusion. Ich musste mich zusammenreißen.
Und je länger ich darüber nachdachte, desto saurer wurde ich. Er dachte, er hätte mich bereits zur Strecke gebracht. Da stand Seiner Majestät aber ein ziemlich unsanftes Erwachen bevor.
Ich knurrte und ging mich anziehen.
Gegen sieben Uhr traf ich im Büro ein. Der Orden war in einem unscheinbaren Gebäude untergebracht, das, wenn die Magie herrschte, von so starken Wehren geschützt wurde, dass es dem Beschuss einer ganzen Division der Supernatural Defense Unit des Militärs tagelang standgehalten hätte. Es musste in der Stadt noch ein weiteres Gebäude des Ordens geben, ein auf dem neusten Stand der Technik befindliches Hauptquartier mit allen Schikanen, aber ich war nicht hochrangig genug, um zu erfahren, wo es sich befand.
Ich ging die Treppe zum ersten Stock hinauf, öffnete die Tür und betrat den Bürokorridor. Er war lang und grau und erstreckte sich wie ein enger Tunnel in die Ferne, und an seinem Ende befand sich eine schwarze Tür. In ihrer Mitte prangte ein heraldischer Löwe aus poliertem Stahl und zeigte an, dass es sich um das Büro des Protektors handelte, Chef dieser Sektion des Ordens und mein unmittelbarer Vorgesetzter.
» Guten Morgen, meine Liebe «, ertönte Maxines Stimme in meinem Kopf.
»Guten Morgen, Maxine«, erwiderte ich. Streng genommen hätte ich es auch bloß zu denken brauchen, vorausgesetzt, ich hätte mich stark genug konzentriert, damit Maxine es hätte wahrnehmen können, doch ich sprach es lieber aus. Ich vermochte den Geist eines Untoten mit meinem Geist zu ergreifen und wie eine Laus zu zerquetschen, aber in Telepathie war ich eine Niete. Ich betrat mein Büro und rechnete auf meinem Schreibtisch mit einem halbmeterhohen Aktenstapel. Doch meine Schreibtischplatte war leer und blitzblank.
»Maxine? Was ist denn mit meinen Akten geschehen?«
» Der Protektor hat beschlossen, dich von dieser Arbeitslast zu befreien .«
»Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?«
» Der Orden weiß deine Arbeit sehr zu schätzen. Vor allem das, was du in den Nachtschichten leistest .«
Da ging mir ein Licht auf. Ted gab mir auf inoffizielle Weise grünes Licht, mich mit den Midnight Games zu befassen. Es würde keine offizielle Ermittlung geben. Ted wusste bereits so viel über die Games, wie ein Mensch nur wissen konnte. Ihm fehlten einfach nur die Mittel oder ein Vorwand, um etwas dagegen zu unternehmen. Und nun lieferte ich ihm eine wunderbare Gelegenheit. Er warf mich förmlich auf die Games, wie man jemandem einen Stock in die Speichen wirft. Ich war einerseits fähig und andererseits absolut entbehrlich. Wenn ich öffentliches Aufsehen verursachte, konnte man das damit entschuldigen, dass ich im Grunde gar nicht dazugehörte. Ich war kein Ritter. Ich war nicht richtig ausgebildet. Der Orden würde jedwede Kenntnis von meinen Aktivitäten bestreiten, mich als übereifrige Unfähige hinstellen und mich mit einem Arschtritt vor die Tür befördern.
Andrea kam herein und schloss die Tür hinter sich. »Raphael hat angerufen. Da wurde wohl gerade ein Befehl ausgegeben. Jedes Mitglied des Rudels, das dich angreift, muss sich auf ein langes, unangenehmes Gespräch mit Curran einstellen.«
Ich reckte mit gespieltem Triumph meinen Stift in die Höhe. »Juhu! Ich hatte ja gar keine Ahnung, dass ich ein zartes Blümchen bin, dass des Schutzes Seiner Majestät bedarf.«
»Wurdest du denn angegriffen?«
»Ja. Und ich war brav und hab keinen umgebracht.«
Andrea setzte sich auf meinen Besucherstuhl. »Was geht hier vor?«
Ich stand auf und aktivierte das Wehr. Orangefarbene Glyphen leuchteten auf dem Boden auf und verbanden sich in verschlungenen Mustern. Vor der Tür stieg eine orangefarbene Wand empor und versiegelte sie. Es war
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