Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
hindurch. Seine Hand in meinem Haar. Mit einem Mal wollte ich wissen, wie er wohl schmeckte. Er hatte mich schon einmal geküsst, kurz vor dem großen Kampf in Red Point. Seit vier Monaten erinnerte ich mich nun an diesen Kuss. Es konnte gar nicht so schön gewesen sein, wie es mir in der Erinnerung vorkam. Nun wollte ich ihn küssen und diesen anderen Kuss damit gewissermaßen tilgen, damit ich nie wieder daran denken musste. Also öffnete ich den Mund und ließ ihn ein.
Oh. Mein. Gott. Das ganze Universum erbebte.
Er schmeckte absolut berauschend.
Ich schmiegte mich an ihn, trunken von seinem Geschmack und Geruch, verführt von dem Gefühl, seinen harten Leib an mir zu spüren. Mir schwanden die Sinne.
Küss mich. Küss mich noch einmal. Küss mich, Curran .
Was zum Teufel stimmte nicht mit mir?
»Nein!« Ich wehrte mich gegen die Felswand seiner Brust. Er hielt mich einen kleinen Augenblick zu lange fest und ließ mich dann mit einem leisen, hungrigen Knurren los. Ich sprang auf und wich vor ihm zurück, nicht ganz sicher auf den Füßen. »Bist du vollkommen übergeschnappt?«
»Was ist denn los? Hattest du etwa deinen Spruch vergessen, dass du mich auch dann nicht anrühren würdest, wenn ich der letzte Mann auf Erden wäre?«
»Raus!«
Er blieb einfach auf meinem Teppich liegen und räkelte sich wie ein träger Kater, ein selbstgefälliges Lächeln auf dem Gesicht. »Wie war’s?«
»Fad und öd«, log ich. »Ich habe nichts gespürt. Es hat nicht die Bohne gefunkt. Als hätte ich meinen Bruder geküsst.«
Mir schwirrte immer noch der Kopf. Ich wollte ihn berühren, wollte mit den Fingern über sein T-Shirt fahren, an den stahlharten Armen entlang … Ich wollte seinen Mund auf meinem spüren.
Nein! Keine Berührungen. Keine Küsse. Nichts davon!
»Wirklich? Hast du mir deshalb die Arme um den Hals gelegt?«
Scheißkerl. »Das war nur eine ganz kurze, vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit.« Ich wies zur Tür.
»Soll ich wirklich nicht bleiben? Ich würde dir einen Kaffee kochen und mich erkundigen, wie dein Tag war.«
»Raus. Sofort.«
Er seufzte übertrieben und sprang auf die Füße, ohne dabei die Hände zu Hilfe zu nehmen. Verdammter Angeber.
Dann hielt er mir meinen Dolch hin, mit dem Griff voran. »Willst du den wiederhaben?«
Er hatte mich tatsächlich dazu gebracht, den Dolch sinken zu lassen. Und dabei ließ ich nie irgendwelche Waffen sinken, es sei denn, ich verfolgte irgendein Ziel dabei.
Ich riss ihm den Dolch aus den Fingern und scheuchte ihn damit zur Tür. Curran öffnete sie und blieb auf der Schwelle noch einmal stehen. »Zweiundsiebzig Stunden, Kate. Mehr Zeit lasse ich Jim nicht. Er weiß das, und er weiß auch, dass ich nach ihm suche. Und jetzt weißt du es auch.«
»Schon klar«, fauchte ich.
»Willst du wirklich keinen Abschiedskuss, Baby ?«
»Wie wär’s mit einem Abschiedstritt in den Arsch?«
Ich knallte die Tür hinter ihm zu, lehnte mich mit dem Rücken daran und ließ mich langsam zu Boden sinken, um mir einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Der Herr der Bestien. Der Löwe von Atlanta. Der Oberboss. Ein gefährlicher Scheißkerl, der mir auf den Zeiger ging und mir Angst einjagte, bis ich panisch reagierte und mein Mundwerk mit mir durchging.
Er hatte mich geküsst. Nein, er hatte gestanden, dass er in meine Wohnung eingedrungen war, um mir beim Schlafen zuzusehen, hatte mich dann auf dem Boden in die Zange genommen und mich dann geküsst. Ich hätte ihm die Nase brechen sollen. Stattdessen hatte ich seinen Kuss auch noch erwidert. Und ich wollte mehr.
Ich versuchte diese Dinge in die richtige Perspektive zu rücken. Ich hatte ihm gesagt, dass ich niemals mit ihm schlafen würde. Er hatte entgegnet, das würde ich durchaus. Für ihn war es ein Spiel, und er versuchte einfach nur zu gewinnen. Jemand hatte mir mal gesagt, wenn man alle ehemaligen Geliebten Currans aufgereiht hätte, hätte man mit ihnen eine richtige Parade abhalten können. Es ging ihm bei mir lediglich um eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten. Wenn ich nachgab, würde ich unter »ferner liefen« in der Liste seiner Freundinnen enden: Kate Daniels, Ermittlerin des Ordens, die Seine Majestät vorübergehend gevögelt hatte, bis ihn die Langeweile packte und er zu neuen Ufern aufbrach und sie mit ruinierter Street Credibility zurückließ.
Eine unverhüllte Beziehung mit Curran würde für mich beruflichen Selbstmord bedeuten. Als Mitarbeiterin des Ordens war ich zur
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