Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
loszulassen. Und er war viel kräftiger als ich. Mist, verdammter.
»Dir macht das Spaß, was?«
Er nickte – und strahlte nun übers ganze Gesicht.
»Wie bist du hier hereingekommen?«
»Ich habe meine Mittel und Wege.«
Da ging mir ein Licht auf. Er war es gewesen, der zwei Monate zuvor meine Türschlösser hatte austauschen lassen, während ich vollauf damit beschäftigt gewesen war, nicht den Löffel abzugeben. »Du hast einen Schlüssel zu meiner Wohnung zurückbehalten. Wie oft kommst du hierher?«
»Hin und wieder.«
»Wieso?«
»Um nach dir zu sehen. Das erspart mir die Mühe, neben dem Telefon auszuharren und auf einen deiner Komm-und-rette-mich-Anrufe zu warten.«
»Das muss dich nicht mehr kümmern, denn solche Anrufe wird es nicht mehr geben. Lieber verrecke ich, als dich anzurufen.«
»Das ist es ja gerade, was mir Sorgen bereitet«, gab er zurück.
Seine Beine hielten meine Beine fest, und seine Schenkel waren so hart, als wären sie aus Holz geschnitzt. Seine Brust war an meine Brüste gepresst. Hätte ich mich ein bisschen nach rechts drehen können, so wäre mein Po vor seinen Unterleib gerutscht. Und nur ein bisschen weiter nach links, und mein Gesicht hätte an seinem Hals geruht.
»Ich bin nicht deine Untergebene«, sagte ich. Er war mir viel zu nah, viel zu warm, viel zu greifbar. »Ich befolge nicht deine Befehle, und ich brauche auch ganz bestimmt nicht deinen Schutz.«
»Mmmh«, machte er. Er fand mein Gesicht offenbar unglaublich faszinierend, denn er hörte gar nicht mehr auf, es anzusehen – meine Augen, meinen Mund …
»Kommst du auch her, wenn ich zu Hause bin?«
»Manchmal.«
»Das hätte ich doch gehört.«
»Du schiebst Zwölfstundenschichten, und anschließend bist du total erledigt, und ich bin sehr leise.« Sein Griff löste sich ein klein wenig. Ich lag reglos da und sträubte mich nicht mehr. Ja, das war’s: Ich musste ihn in Sicherheit wiegen. Wir waren nicht allzu weit von meinem Nachttisch entfernt, und auf dessen unterstem Bord lag ein Dolch.
»Der Herr der Bestien – mein persönlicher Stalker. Na, davon träumt doch jedes Mädchen.«
»Ich bin kein Stalker.«
Ich sah ihn ungläubig an. »Wie würdest du das denn sonst bezeichnen?«
»Ich kontrolliere meine Gegnerin, damit sie mich nicht verletzen kann.«
»Und was hast du noch getan, während du hier warst? Hast du meine Post gelesen? In meiner Unterwäsche rumgewühlt?«
»Nein. Ich schnüffele nicht in deinen Sachen herum. Ich komme nur ab und zu hierher, um mich zu überzeugen, dass du unversehrt bist. Ich weiß gern, dass du in Sicherheit bist, in deinem Bettchen liegst und schläfst. Ich habe nichts gestohlen – «
Ich riss meinen linken Arm aus seinem Griff und rammte ihm meinen Ellenbogen in die Magengrube. Er stieß keuchend Luft aus. Ich griff mir den Dolch, und ehe er sichs versah, hockte ich auf ihm, drückte mit den Knien seine Oberarme zu Boden und hielt ihm den Dolch an die Kehle.
Er lag reglos da. »Ich ergebe mich«, sagte er schließlich und lächelte. »Jetzt bist du am Zug.«
Äh. Ich hockte in Unterwäsche auf dem Herrn der Bestien und hielt ihm ein Messer an den Hals. Was zum Teufel machte ich als Nächstes?
Currans Blick richtete sich auf eine Stelle an meiner Schulter. »Das ist ja eine Krallenspur«, sagte er, und seine Stimme klang wieder ein wenig ernster. »Von einem Wolf. Wer war das?«
»Niemand!« Hey, das war doch mal eine echt brillante Antwort. Das würde er mir auf jeden Fall glauben.
»Einer von meinen Leuten?« Goldfunken blitzten in seinen Augen auf.
Na ja, da sämtliche Gestaltwandler Atlantas seine Leute waren, beantwortete sich diese Frage von selbst, nicht wahr? »Seit wann interessierst du dich denn für mein Wohlergehen? Ich glaube, du verkennst den Charakter unserer Beziehung. Du und ich, wir kommen nicht miteinander klar. Du bist ein geistesgestörter Kontrollfreak. Du kommandierst mich herum, und ich würde dich dafür am liebsten abmurksen. Ich hingegen bin eine dickköpfige notorische Befehlsverweigerin. Ich treibe dich regelmäßig fast in den Wahnsinn, und am liebsten würdest du mich erwürgen.«
»Einmal! Das habe ich nur ein einziges Mal versucht!«
»Einmal hat mir vollauf gereicht. Der Punkt ist doch: Wir kommen einfach nicht miteinander klar. Wir – «
Er riss die Arme unter meinen Knien hervor, zog mich an sich, den Dolch gar nicht beachtend, und küsste mich.
Seine Zunge fuhr über meine Lippen. Wohlige Wärme wallte durch mich
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