Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
sagte Rene leise. »Jetzt könnt ihr wieder gehen.«
Mart starrte mich immer noch an.
»Jetzt könnt ihr wieder gehen«, sagte Rene noch einmal, dieses Mal mit etwas mehr Nachdruck.
Mart drehte sich zum Ausgang um und warf dabei einen kurzen Stock in meine Richtung. Ich duckte mich, aber das war gar nicht nötig. Der Wächter neben mir erwischte ihn mit seinem Kurzschwert und schnitt ihn im Flug entzwei. Die beiden Hälften meines Haarstäbchens fielen zu Boden. Ein kleines Souvenir, das jemand dem toten Schlangenmann auf dem Parkplatz abgenommen und Mart überbracht hatte.
Renes Rapier zielte auf Marts Kehle. »Noch so eine Nummer, und eure Mannschaft wird disqualifiziert.«
Mart lächelte mir zu. Es war ein Lächeln, das echt von Herzen kam.
Ich zeigte ihm meine Zähne. Trau dich doch, du kleiner Scheißer .
Er deutete eine Verbeugung an, wobei er die Spitze des giftigen Rapiers, die nur Zentimeter von seiner Kehle entfernt war, nicht weiter beachtete, und ging.
Rene folgte ihm hinaus.
Kapitel 18
W ir lieferten den Riesen unter dem Vorwand, dass Durand ihn kennenlernen wollte, in Durands Gemächern ab. Dort angelangt, sank Saiman auf das opulente Bett. Sein Körper erbebte und nahm die Gestalt von Thomas Durand an. Dann schloss er die Augen und schlief ein. Ich deckte ihn zu, dann gingen wir hinaus.
Wir verließen die Arena ohne irgendwelche weiteren Zwischenfälle, bestiegen unsere Pferde und brachen in Richtung Innenstadt auf.
Jim ritt, als wäre er in Stacheldraht eingewickelt: steif, die Schultern starr, den ganzen Körper so aufrecht und reglos wie nur möglich.
»Dieses Pferd verdient einen Orden dafür, dass es dich nicht abwirft.«
Ein Schwall von Obszönitäten ergoss sich über mich. Als jemand, der viel Zeit in Jims Gesellschaft verbracht hatte, vermochte ich herauszudestillieren, was ihm so gegen den Strich ging: Wenn er gewusst hätte, dass die Technik wiederkehren würde, hätte er ein benzinbetriebenes Fahrzeug mitgebracht und nicht zwei zu Hysterie neigende Fleischportionen auf dünnen Beinen.
Wir bogen nach Süden ab und ritten um Downtown herum auf das südliche Ende von Unicorn Lane zu. Die Reaper nahmen stets den direkten Weg, schnurstracks in Richtung Norden. Wenn sie unsere Witterung aufnahmen, schöpften sie womöglich keinen Verdacht, wenn wir gleich wieder nach rechts von ihrer Route abwichen.
Es war kurz nach vier, als wir unser Ziel erreichten. Bis zum Sonnenaufgang blieb uns noch viel Zeit. Unicorn Lane lag nun direkt voraus, eine Narbe im Angesicht der Stadt. Die ausgeweideten Reste eingestürzter Geschäftshochhäuser ragten aus den Schuttbergen wie havarierte Schiffe, die kurz davor standen, in der sturmgepeitschten See des aufgeplatzten Asphalts zu versinken. Mondschein glitzerte auf Myriaden von Glasscherben, den Überresten Abertausender zerstörter Fenster. Die gelben Fäden des giftigen Lane-Mooses hingen von den längst abgeschalteten Stromleitungen herab und nährten sich von dem Metall.
Schon einige Häuserblocks vor dem Beginn von Unicorn Lane wurde das Terrain zu unwegsam für die Pferde. Anders als am Nordende, wo die Straßen teilweise direkt nach Unicorn Lane hinein verliefen, versperrten hier Trümmer den Weg, an denen sich Geröllinseln inmitten von Abwasserströmen gebildet hatten. Der Gestank trieb mir Tränen in die Augen. Wenn man eine benutzte Windel als Gesichtsmaske getragen hätte, wäre die Wirkung auf den Geruchssinn vermutlich so ähnlich ausgefallen.
Als wir näher kamen, trat ein Mann aus der Dunkelheit. Ich erkannte den Werdingo wieder. Er gab Jim einen Autoschlüssel. »Die waren schneller als ihr«, sagte er mit heiserer Stimme. »Sind vor ’ner halben Stunde angekommen. Sind über die Nordseite gekommen, dann gut ’ne Meile weit rein, und da haben sie haltgemacht.«
Jim nickte, der Dingo übernahm die Pferde und verschwand mit ihnen in der Nacht. Jim ging in eine Ruine, und ich folgte ihm. Drinnen stand ein Jeep des Rudels bereit. Jim stieg ein und klopfte an ein kleines Digital-Display, das am Armaturenbrett angebracht war. Ein grünes Gitternetz erschien, und ich erkannte die Umrisse von Unicorn Lane. Ein kleiner grüner Punkt pulsierte fast genau in der Mitte des Bildes.
Jim runzelte die Stirn. »Die sind schnell, diese Scheißkerle.«
Die Reaper hatten uns überholt, obwohl wir eine Stunde Vorsprung hatten. Okay, wir hatten einen weiten Umweg gemacht, aber das Tempo der Reaper war dennoch unfassbar.
Jim legte seinen Umhang ab
Weitere Kostenlose Bücher