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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Pflaster. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war in Unicorn Lane Blutspuren zu hinterlassen.
    In der halben Stunde, seit wir nach Unicorn Lane vorgedrungen waren, waren wir viermal angegriffen worden, und zwar viermal von Wesen, die ich nicht einmal dem Namen nach kannte. Jims Hemd hing in Fetzen herab. Sein Körper hatte die Verletzungen wieder geheilt, aber das Blut an seinen Hemdfetzen zeugte davon, dass er ordentlich was hatte einstecken müssen.
    Ich ließ mein Hemd sinken und hob den Blick. Direkt voraus befand sich ein breites Gebäudes. Es war kein Hotel oder Bürohaus – die ragten meist eher hoch auf, und wenn sie der Magie zum Opfer fielen, kippten sie entweder um wie die Bauklötze oder wurden Etage um Etage von magischen Kräften aufgefressen und in Staub verwandelt. Nein, dieses Gebäude war lang gestreckt und verhältnismäßig gedrungen. Vielleicht ein Einkaufszentrum? Oder eins von den großen Kaufhäusern, die es schon lange nicht mehr gab?
    Das Haus hatte eine hellbraune Putzfassade. Das Dach und die oberste Etage fehlten, waren von der Magie aufgefressen worden. Dort ragten verbogene Stahlträger auf, wie die Gebeine eines halb verwesten Kadavers. Durch Lücken in der Fassade sah man etwas Grünes leuchten. Ich blickte zu Jim hinüber. Er nickte. Die Basis der Reaper. Das musste sie sein.
    Wir hockten uns hin.
    Fünf Minuten.
    Noch mal fünf Minuten. Die finstere Nacht war einem gedämpften Grau gewichen, wie es normalerweise dem Sonnenaufgang vorausging. In diesem frühen Morgengrauen war deutlich zu erkennen, was das Grüne hinter der Fassade war: Bäume. Meines Wissens gab es mitten in Unicorn Lane keinen Park. Wo kamen also diese Bäume her?
    Sich in diesen Wald vorzuwagen, während die Reaper am anderen Ende warteten, wäre ein neuer Höhepunkt des Schwachsinns gewesen. Und in dieser Hinsicht war mein Ehrgeiz gering. Die Außenmauer des Gebäudes war eine viel bessere Option. Die Parole lautete: einen guten Aussichtspunkt erklimmen und das Spielfeld überblicken.
    Wir hockten da. Lauschten, beobachteten, warteten.
    Nichts regte sich. Und es gab auch keinen Laut. Ich tippte mir an die Nase. Jim schüttelte den Kopf. Keinerlei verwertbare Gerüche.
    Dann brandete die Magie über uns hinweg und toste mit aller Macht durch Unicorn Lane. Sie kochte hoch, nahm mir den Atem und ebbte dann wieder auf ein mittleres Niveau ab. Trügerisch friedlich. Gar nicht gut.
    Ein leises Donnern durchbrach die Stille.
    Jim fauchte.
    Ein weiteres Donnern drang aus dem Gebäude, als würde eine Riesenposaune zu einer Fanfare ansetzen, bekäme aber nur einen einzigen Ton heraus – der aber so mit Magie aufgeladen war, dass er mir wie eine körperliche Berührung über die Haut fuhr. Dieses Geräusch, das sich anhörte wie ein gedämpfter Tornado, zerriss die frühmorgendliche Stille. Ich hatte dieses Geräusch in meinem Leben schon mindestens ein Dutzend Mal gehört – allerdings immer nur im Kino. Es war das Geräusch eines Flugzeugmotors.
    Ich lief über die Straße. Jim rannte hinter mir her, sprang an die Außenmauer des Gebäudes und erklomm sie wie ein Gecko. Wie schön war es doch, ein Werjaguar zu sein. Ich machte mich ebenfalls daran, die Mauer hinaufzusteigen, fand Halt an Vorsprüngen der bröckelnden Fassade und an freiliegenden Stahlträgern.
    Als Jim das obere Ende der Mauer erreichte, stieß er ein knappes, schmerzerfülltes Knurren aus. Seine Hände zuckten zurück, sein Rücken krümmte sich, und seine Füße verloren den Halt. Er hing zuckend in der Luft.
    Ich kraxelte, so schnell ich konnte, hinauf. Meine Finger erreichten das obere Ende der Mauer. Der Putz bröckelte unter meinen Händen weg. Dann rutschte ich ab, hielt mich an einer Eisenstrebe fest und zog mich auf die Oberseite des Gebäudes.
    Ein unheimliches, beißendes Gefühl fuhr mir über die Haut, als schmirgelte eine raue Zunge von jedem Quadratzentimeter meines Körpers eine Schicht Zellen ab. Es griff mein Gesicht an und auch den unter meiner Kleidung verborgenen Körper, und ich spürte es sogar zwischen den Zehen, im Innern meiner Ohren und in den Nasenlöchern.
    Ein Wehr. Die Reaper hatten die Oberseite des Gebäudes mit einem verborgenen Wehr versehen. Nicht schlecht gemacht. Ich hatte es vorher nicht gespürt, und wir waren einfach so in diese Falle getappt.
    Ein Schmerz durchfuhr mich, setzte jeden Quadratmillimeter meiner Haut in Brand und hob mich in die Luft empor. Ich schrie und kniff die Lippen gleich wieder

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