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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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beklagte sich nicht.
    Der Rand der Schlucht kam langsam näher, und das rhythmische Woumm, Woumm, Woumm wurde immer lauter. Das musste irgendein Signal sein. Ich erklomm ein schmales Gesims und griff nach Julie. »Gib mir deine Hand.«
    Sie streckte mir ein Streichholzärmchen entgegen. Ich packte sie beim Handgelenk und hievte sie über die zerfetzten Reste eines Kühlschranks neben mich auf den Sims. Sie wog so gut wie gar nichts. »Hier verschnaufen wir mal ein wenig.«
    »Ich kann noch weiterklettern.«
    »Das glaube ich dir. Aber Honeycomb ist kein angenehmer Ort. Mittlerweile hat wahrscheinlich jemand mitgekriegt, dass wir hier sind, und jetzt stellen sie ein Begrüßungskomitee zusammen.«
    »Na, das gibt ’ne tolle Party.« Sie hockte sich auf den Boden.
    Ich setzte mich zu ihr. »Du bist nicht von hier, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin aus der White Street.«
    Die White Street war nach den Schneefällen von anno ’14 benannt, deren Ergebnis anschließend dreieinhalb Jahre lang nicht mehr weggetaut war. Wenn sich auf einer Straße trotz tropischer Hitze zehn Zentimeter Pulverschnee halten, weiß man, dass massiver Magieeinsatz im Spiel ist. Jeder, der es sich irgendwie leisten konnte, zog aus der Gegend fort.
    »Wie alt bist du?«
    »Dreizehn. Nur zwei Jahre jünger als Red.«
    Wenn ich sie so ansah, hätte ich sie auf höchstens elf geschätzt. »Und wie alt ist deine Mutter? Und wie sieht sie aus?«
    »Sie ist fünfunddreißig und sieht so aus wie ich, bloß halt erwachsen. Ich hab zu Hause ein Foto von ihr.«
    »Was weißt du über diesen Hexenzirkel? Wem haben die gehuldigt? Und was für Rituale haben sie durchgeführt?«
    Julie zuckte die Achseln. Vor uns erstreckte sich die Schlucht in die Ferne, starrend vor Stacheln und rostigem Eisen. Zarte Nebelschwaden hingen an den Abhängen. Ein bedrohlich klingendes Brummen hallte von den Wänden wider, zu weit entfernt, um eine unmittelbare Gefahr darzustellen. Die stymphalischen Vögel antworteten mit ihren Kreischlauten darauf.
    »Wusstest du, dass diese Vögel aus Metall sind?«, fragte Julie.
    Ich nickte. »Die stammen aus Griechenland. Weißt du, wer Herakles war?«
    »Ja. Der stärkste Mann aller Zeiten.«
    »In seiner Jugend musste er zwölf Arbeiten verrichte n … «
    »Wieso das denn?«
    »Seine Stiefmutter hatte ihn zeitweilig wahnsinnig gemacht. Er tötete seine Frau und seine Kinder und musste zur Strafe einem König dienen. Dieser König hätte es sehr gern gesehen, wenn er dabei ums Leben gekommen wäre, und daher ließ er sich für Herakles immer schwierigere Herausforderungen einfallen. Die stymphalischen Vögel gehörten jedenfalls auch zu einer seiner Aufgaben. Er musste sie von einem bestimmten See vertreiben. Ihre Federn sind wie Pfeile, und mit ihrem Schnabel können sie angeblich auch die stärkste Rüstung durchschlagen.«
    Sie sah mich an. »Und wie hat er das gemacht?«
    »Die Götter gaben ihm ein paar laute Klappern. Und damit hat er geklappert, bis die Vögel geflohen sind.«
    »Wie kommt es eigentlich, dass einem die Götter in diesen ganzen Geschichten immer aus der Patsche helfen?«
    Ich erhob mich. »Tja, in dem Fall könnte es damit zusammenhängen, dass sein Vater der höchste aller Götter war. Komm, wir müssen weiter, und ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Vater kein Gott ist, nicht wahr?«
    »Mein Vater ist tot.«
    »Das tut mir leid. Mein Vater ist auch tot. Und jetzt klettere, Kwai Chang Caine, junger Grashüpfer, auf dass es deinem Kung Fu nütze.«
    Sie stieg über eine zerquetschte Tonne hinweg. »Du bist echt seltsam.«
    Wenn du wüsstest .
    Als es noch sieben oder acht Meter bis zum Rand der Schlucht waren, spürte ich Honeycomb. Über uns strömte und wirbelte und kochte die Magie – so heiß, dass man sich daran verbrennen konnte. Das Magiefeld erspürte mich und schwappte über den Rand, warf zarte Ströme nach mir aus, wie unsichtbare, schwerelose Lassos. Sie strichen über mich hinweg und wichen schnell wieder zurück. Ja, genau: Antatschen ist nicht.
    Die Magie wartete, fast, als hätte sie ein Bewusstsein. Dort oben, wo sie kochte, würde ich einen höllischen Widerhall auslösen, und so was war nie eine gute Idee. Honeycomb konnte mir letztlich nichts anhaben, aber es mochte mich nicht und würde weiter versuchen, mir zu schaden. Je schneller ich dort wieder hinauskam, desto besser.
    Ich stieg über einen Durchlauferhitzer, der wie eine Blechbüchse zusammengedrückt war, und zog

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