Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
fing sie nun wieder an, auf Atlanta einzuhämmern. Es war schon später Nachmittag. Ich war erschöpft und hungrig. Wir spazierten ein Stück weit in nördlicher Richtung durch die Straßen, zu der kleinen Wohnung, die einmal Greg gehört hatte und die nun mein Zuhause war, wenn ich mich in der Stadt aufhielt.
Ich ging das enge Treppenhaus zum zweiten Stock hinauf, Julie im Schlepptau. Die Magie herrschte gerade, und das Wehr vor meiner Wohnung umschloss meine Hand, als ich die Tür berührte, und öffnete sie dann mit einem blauen Blitz. Ich ließ Julie herein, verriegelte die Tür hinter uns und zog mir die Schuhe aus.
Julie ging an mir vorbei in die Wohnung. »Schön hier. Und sogar Gitter vor den Fenstern.«
»Gut gegen Bösewichte.« Nun spürte ich mit einem Mal meinen Schlafmangel. Ich war hundemüde. »Zieh dir die Schuhe aus.«
Sie tat es. Ich wühlte im Wandschrank herum und fand einen Karton mit Kleidern von mir, die noch aus der Zeit stammten, als ich nach dem Tod meines Vaters hier bei Greg gewohnt hatte. Die fünfzehnjährige Kate war zwar viel größer gewesen als die dreizehnjährige Julie, aber fürs Erste genügten diese Klamotten.
Ich warf ihr eine Trainingshose und ein T-Shirt zu. »Aber vorher duschen.«
»Ich dusche nie.«
»Isst du auch nie? Keine Dusche, kein Essen.«
Sie zog eine Flunsch. »Du nervst, weißt du das?«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Mein Haus, meine Regeln. Wenn dir das nicht passt – da ist die Tür!«
»Okay.« Sie ging zur Tür.
Na Gott sei Dank. Ich kniff den Mund zu, hoffte, dass ich das nicht laut ausgesprochen hatte, und ging in die Küche. Ich wusch mir die Hände mit Seife und schaute im Kühlschrank nach etwas Essbarem. Das Einzige, was ich fand, war eine große Schale Lowcountry Boil. Ich aß so was ja gern auch unaufgewärmt. Mais und Shrimps schmeckten sowieso auch kalt, und ich war so hungrig, dass ich die Kartoffeln und Wurstscheiben auch kalt verdrückt hätte. Julie hingegen mochte es vielleicht lieber warm, vorzugsweise mit Butter.
Aufwärmen oder nicht aufwärmen? Das war hier die Frage.
In der Dusche rauschte Wasser. Julie war also doch geblieben. Ich setzte auf dem Gasherd einen großen Topf Wasser auf. Die Magie stellte mit allen möglichen Alltagsgegenständen die sonderbarsten Sachen an, aber Gasherde funktionierten zum Glück weiterhin. Falls alle Stricke rissen, hatte ich auch noch einen kleinen Campingkocher auf dem Kühlschrank stehen und einen passenden Kanister Petroleum.
Als ich schon fast damit fertig war, die Shrimps herauszupicken, kam ein sehr dünnes, engelsgleiches Kind in meine Küche. Sie hatte weiches, hellbraunes Haar und große braune Augen in einem kantigen Gesicht. Ich brauchte einen Moment, bis ich sie erkannte, und dann lachte ich lauthals.
»Was?« Das Elfenbaby guckte verblüfft.
»Du bist ja ganz sauber.«
Julie zog meine Trainingshose hoch, die ihr über den Po rutschen wollte. »Ich habe Hunger. Wir hatten was ausgemacht.«
»Dann geh ich jetzt mal schnell unter die Dusche. Und du passt auf das Wasser auf. Wenn es anfängt zu kochen, tust du alles rein – außer den Shrimps. Und nicht von den Shrimps naschen, die schmecken warm viel besser. Und pass auf, dass das Wasser nicht überkocht und die Flamme löscht.«
Ich nahm mir ein paar Klamotten und ging ins Bad. Nach so einem langen Tag gab es nichts Besseres als eine schöne heiße Dusche. Na ja, vielleicht eine heiße Dusche, gefolgt von heißem Sex. Doch was das anging, wurden meine Erinnerungen zusehends verschwommener.
Es dauerte, bis ich mir den ganzen Dreck aus den Haaren gewaschen hatte, und als ich schließlich wieder in die Küche kam, kochte das Wasser. Mit einer großen Gabel fischte ich einen Maiskolben heraus. Er war heiß genug. Ich gab die Shrimps in den Topf, ließ sie eine Viertelminute lang mitgaren, stellte die Flamme ab und kippte alles über der Spüle in ein großes Metallsieb.
Die Magie schwand. An, aus, an, aus. Entscheide dich endlich mal. »Hast du schon mal Lowcountry Boil gegessen?«
Julie schüttelte den Kopf.
Ich stellte das Sieb mitten auf den Tisch und Salz und ein Stück Butter daneben. »Shrimps, Wurstscheiben, Mais am Kolben und Kartoffeln. Probier mal. Die Wurst ist Pute mit Hirsch. Ich war dabei, als sie hergestellt wurde. Da sind keine Hunde oder Ratten drin.«
Julie nahm sich eine Wurstscheibe, probierte vorsichtig und schlang sie dann hinunter, als machten hungrige Wölfe ihr das Essen streitig.
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