Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Verbandstuch wieder und holte die Pferde, dann brachen wir auf, die Straße hinab, just in dem Moment, da der erste Hauch nekromantischer Magie davon kündete, dass die Vampirkundschafter eingetroffen waren.
Kapitel 18
D erek hielt sich die linke Seite. Sein Pferd weigerte sich, ihn zu tragen. Ich konnte es dem Pferd nicht verübeln. Ich hätte diesen dämonischen Typen, der mit Untotenblut beschmiert war und nach Wolf stank, auch nicht auf mir reiten lassen. Doch andererseits hielt uns das nur auf.
Drei Ecken weiter beschlagnahmte ich den klapprigen Einspänner einer alten Dame. Beschlagnahmt ist eigentlich ein etwas zu starker Ausdruck. Ich zeigte meinen Ausweis vor und versprach ihr viel mehr Geld, als mir zur Verfügung stand. Angesichts der Tatsache, dass ich immer noch mein Schwert in der Hand hielt und dass mein Haar und mein Gesicht mit trocknendem Blut beschmiert waren, fand sie wohl, dass es nicht in ihrem Interesse sein konnte, sich groß mit mir zu streiten. Ja, sie meinte sogar, ich könnte ihren Einspänner haben, wenn ich ihr bloß nichts täte.
Ich sagte ihr, sie solle es dem Orden in Rechnung stellen, lud Derek in die kleine Kutsche, machte unsere Pferde hinten fest und ließ dann das große gescheckte Zugpferd Richtung Orden aufbrechen.
Binnen fünf Minuten war Derek eingeschlafen. Seine Haut platzte auf, und er schüttelte sich, dann lag ein großer grauer Wolf an seiner Stelle. Es erforderte immense Konzentration, die Bestienform beizubehalten. Sich selbst überlassen, wurde der Körper eines Gestaltwandlers flugs wieder zum Menschen oder zum Tier. Ich nahm an, dass ihm angesichts des Flairs das Tier leichter gefallen war. Das war ja auch so ein Problem mit den Gestaltwandlern: Sie waren nicht nur Psychotiker und ihrem Rudel in fanatischer Treue ergeben, sondern wenn sie sich verausgabt hatten, brauchten sie anschließend auch noch ziemlich bald ein längeres Nickerchen oder ein gepflegtes Fressgelage.
Doch wenn ich gegen einen Amok laufenden, uralten Vampir gekämpft hätte, hätte ich anschließend auch nichts gegen ein Nickerchen einzuwenden gehabt. Apropos: Derek hatte einen Vampir getötet. Ganz allein. Ohne fremde Hilfe, ohne Magie, nur mit seinen Zähnen, seinen Krallen und seiner eisernen Entschlusskraft. Phänomenal. Ich hatte da den nächsten Alphawolf im Wagen liegen. Blieb bloß zu hoffen, dass er sich noch an mich erinnern würde, wenn er erst mal Karriere machte.
Der letzte Sonnenschein verlosch. Die Magie verschwand mit einem Schlag, und zwar restlos. Doch die Stadt wusste, dass sie im Hintergrund immer noch vorhanden war, dass sie lauerte, wie ein hungriges Raubtier in der Nacht, jederzeit bereit zuzuschlagen.
Mir dröhnte der Kopf. Mein Brustkorb tat bei jedem Atemzug weh, aber immerhin schien nichts gebrochen zu sein.
Allmählich kam auch mein Hirn wieder in Gang, erst langsam wie eine rostige Mühle, dann immer schneller versuchte es, einen Sinn in dem zu erkennen, was der Hirte gebrabbelt hatte. Er hatte gesagt, die Große Krähe werde die Heerschar anführen. Eine ganze Heerschar von Kampfschnepfen konnte natürlich grauenerregende Schäden anrichten. Ich verharrte lieber nicht allzu lange bei dieser Vorstellung.
Eine Heerschar von Kampfschnepfen also, angeführt von der Großen Krähe. Die Große Krähe konnte für Morrigan stehen, bloß dass Bran an dem Loch in der Schlucht eine Kampfschnepfe buchstäblich in ein Stachelschwein verwandelt hatte, und Bran diente Morrigan. Nur jemand, der fürchtete, seine Schutzgöttin zu beleidigen, hätte wie er davor zurückgeschreckt, bei ihrem Namen einen Schwur zu leisten.
Also, Morrigan und Bran auf der einen Seite und die Formorier und die Große Krähe auf der anderen. Bisher hatten wir uns strikt innerhalb der Keltischen Mythologie bewegt, und neben Morrigan konnte ich mich da an keine andere Große Krähe erinnern. Esmeralda hatte ja all diese Bücher in ihrem Wohnwagen gehab t … Vielleicht stand in einem davon etwas über die Große Krähe.
Es wäre nur ein fünfzehnminütiger Umweg zu meiner Wohnung. Derek atmete regelmäßig, blutete nicht und schien auch keine großen Schmerzen zu leiden. Ich wollte dringend nach Julie sehen, aber eine Viertelstunde machte nun auch keinen Unterschied mehr.
Wieso hatten mich die Formorier denn überhaupt angegriffen? Das war die große Frage. Erst hatten sie Red attackiert, der versehentlich auf sie gestoßen war, wie er behauptete. Dann hatten sie es auf Julie abgesehen gehabt.
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