Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
sprang dann in die gefüllte Wanne, wobei er Andrea sorgsam über Wasser hielt.
Tante B stieß irgendeine aus Leder und Stahl bestehende Apparatur von der Marmorplattform herunter und ließ sich auf dem Wannenrand nieder. »Wer weiß noch davon?«
»Sie hat einen Wolf bei sich«, sagte das Weibchen.
»Wer ist es?«
»Derek«, antwortete ich.
Tante B nickte. »Gut. Der Junge wird schnurstracks zu Curran laufen. Aber mit Curran kann ich reden. Wir haben Glück, dass der Bär fort ist. Solange keiner von der alten Garde davon erfährt, dürften wir eigentlich keine Probleme bekommen.«
Was zum Teufel stimmte sie so zuversichtlich? Curran war ungefähr so vernünftig wie ein wütender Elefant.
Sie beugte sich über Andrea. »Du dummes, dummes Kind. Weißt du, was du bist?«
Andrea nickte. Die Bewegung kostete sie Mühe.
»Das macht es einfacher. Zieht sie aus.« Das Weibchen sprang in die Wanne und strich die Stofffetzen beiseite, die noch an Andreas rohem Fleisch hafteten. Bei dem Anblick krampfte sich mir der Magen zusammen.
»Wenn du brechen musst, gehst du vor die Tür.« Tante B nickte Andrea zu. »Ich werde dich jetzt in deine natürliche Gestalt geleiten. Dein Gesicht ist schon ganz grau. Du weißt, was das bedeutet, also konzentriere dich, wenn du überleben willst. Als Erstes die Brust. Stell dir vor, dir wachsen zwei Flügel auf dem Rücken. Große Flügel. Nun breite sie aus, mein Kind, breite sie aus.«
Andreas Brustbein wanderte nach unten. Ihre Schultern senkten sich.
Ich lief aus dem Haus.
Kapitel 19
I ch saß auf der Veranda. Die Tür schwang auf, und eine weibliche Hyäne setzte sich zu mir. Oder vielleicht war es auch ein Männchen. Bei den Hyänen war das schwer zu sagen. Sie waren ein seltsamer, androgyner Haufen. In der Wildnis waren die Weibchen die dominanten Tiere, während die Männchen in der Hierarchie noch unter den Jungen standen. Und wenn man bedachte, dass die weiblichen Tüpfelhyänen größer waren als die männlichen und dass sie eine Klitoris besaßen, die größer war als deren Penis, ergab diese Hierarchie auch durchaus einen Sinn.
Die Hyäne neben mir war eher klein und hatte blaues Haar, das senkrecht von ihrem Kopf abstand. Sie bemerkte, dass ich hinsah.
»Gefällt dir meine Frisur? Ich erzähl dir gern, wer das gemacht hat. Aber bei dir würde es natürlich längst nicht so gut aussehen wie bei mir.« Sie zwinkerte mir zu.
»Das glaube ich gern. Und, wie viel kostet es, sich einen Gasbrenner auf dem Kopf installieren zu lassen?«
Sie lachte schallend los und gab mir dann ein Sandwich. »Du bist okay. Hier, ich hab dir was zu futtern mitgebracht.«
Ich roch an dem Sandwich. »Und was ist da drauf? Kalter Bauer? Oder klein gehackter Tigerhoden?«
»Salami. Iss. Es ist gut, und du siehst aus, als könntest du es brauchen.«
Ich ging davon aus, dass ich es nicht würde bei mir behalten können, doch nach dem ersten Bissen hätte ich gern auch noch ein zweites Sandwich gehabt.
»Wie geht’s ihr?«, fragte ich.
»Sie schlägt sich tapfer.« Die Werhyäne hob die Augenbrauen und nickte. »Sie ist echt ein zäher Bouda.«
»Buddha?«
»Bouda. Eine Werhyäne. Aber streng genommen ist deine Freundin ein e … « Sie verstummte. »Streng genommen darf ich dir das gar nicht erzählen. Nenn uns Boudas. Das ist unser richtiger Name.« Die Bouda schnupperte. »Oh, wir kriegen Gesellschaft. Geht doch nichts über Gäste zum Abendbrot.«
Ein mir bekannter Mann kam sehr zielstrebig aus dem Wald geschlendert. Er war circa eins neunzig groß und guckte, als wollte er jemanden verprügeln. Das meiste von ihm war unter einem langen schwarzen Ledermantel verborgen, doch das wenige, was man von seiner Brust unter dem schwarzen T-Shirt zu sehen bekam, deutete darauf hin, dass er enorm muskulös war. Sein Gang wiederum ließ erahnen, dass er enorm fies drauf war. Am hellichten Tage teilten sich die Menschenmengen auf belebten Straßen vor ihm wie das Rote Meer vor Moses.
Er blieb ein paar Meter vor der Veranda stehen.
»Mich laust der Affe. Der Geheimdienstchef höchstpersönlich beehrt unsere bescheidene Hütte.« Die Bouda lächelte, aber alles andere als freundlich.
»Hallo, Jim«, sagte ich.
Er sah mich nicht an. »Der Chef will wissen, was hier vor sich geht. Und er will sie in der Festung sprechen. Und zwar sofort.«
»Redest du jetzt schon von dir selbst in der dritten Person?«, fragte die Bouda.
Jim stellte sich noch aufrechter hin und reckte das Kinn. »Curran
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