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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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die Hände. Es stank markant nach Urin. Sie wog wahrscheinlich um die sechzig Kilo. Ich biss die Zähne zusammen und hob sie empor. Ihre deformierten Arme griffen nach mir.
    Mann, war sie schwer.
    Ich ging mit ihr zur Kellertür.
    Als ich ein Kind gewesen war, hatte mein Vater mich strapaziöse Dauerläufe absolvieren lassen, mit einem vollgepackten Rucksack auf dem Rücken. Damals war das Einzige, was mich weiterlaufen ließ, das Wissen gewesen, dass der Schmerz irgendwann wieder vergehen würde. Also quetschte ich ein Selbstgespräch zwischen den Zähnen hervor, während ich nun langsam die Kellertreppe erklomm. Schmerz war etwas Gutes. Schmerz ging vorbei. Jeder Augenblick, den ich zögerte, brachte Andrea dem Tod ein kleines bisschen näher.
    Ich lud sie auf den Einspänner. »Julie?«, flüsterte ich.
    »Junge. Schamanenjunge. Hat Julie mitgenommen.« Ihre Stimme ging in einem Gurgeln unter.
    Verdammt noch mal. Red. Na wenigstens würden die Kampfschnepfen ohne das Halsband nicht in der Lage sein, Julie zu finden. »Halt durch. Es wird alles gut.«
    Ich lief wieder hinein, nun zwei Stufen auf einmal nehmend. Derek war immer noch vollkommen weggetreten. Ich rüttelte ihn. »Wach auf!«
    Er schnappte nach mir, und seine Reißzähne kratzten mir über die Hand, dann war er sofort wieder auf den Beinen und winselte vor Verlegenheit.
    »Egal. Ich brauche Hilfe.«
    Er folgte mir und erstarrte auf halbem Wege die Treppe hinab, die Nackenhaare gesträubt, den Rücken gebeugt, knurrend.
    »Derek, bitte. Ich weiß, dass es hier seltsam riecht, aber ich brauche jetzt deine Nase. Bitte.«
    Ich brachte ihn dazu, die Treppe hinunterzugehen. Er machte einen großen Bogen um den Einspänner und sah mich an.
    »Kannst du Julies Witterung aufnehmen?«
    Er schnupperte am Boden und wich dann schlagartig zurück. Er ging ein paar Schritte weiter, einmal um die Kutsche herum, schnupperte wieder am Boden, wich wieder zurück und winselte.
    Zu viel Wolfswurz. Red verstand es, seinen Geruch zu bemänteln.
    Ein gedämpftes Stöhnen drang aus dem Einspänner. Julie würde warten müssen, denn Andrea konnte nicht mehr warten. Immerhin hatte ich noch das Halsband bei mir. Wenn ich mit meiner Theorie richtiglag, würden die Schnepfen mich verfolgen und nicht Julie. Und so stinksauer, wie ich war, waren sie mir herzlich willkommen.
    »Kleine Programmänderung«, sagte ich zu Derek. »Du führst mich jetzt zu den Hyänen. Wir haben nicht viel Zeit. Bitte beeil dich.«
    Derek trottete die Straße hinab. Ich sprang auf den Kutschbock, und los ging’s. Zwar so langsam, dass ich gegen den Drang ankämpfen musste, mit den Zähnen zu knirschen, aber immerhin waren wir wieder unterwegs.
    Mit Atlanta stand es nicht zum Besten. Die Magie ging mir durch und durch, während ich die kleine Kutsche so schnell, wie das Zugpferd es zuließ, durch die mit Trümmern übersäten Straßen lenkte. Seltsame Dinge flogen über den Nachthimmel, dunkle Gestalten verbargen die Sterne, glitten lautlos dahin. Zweimal mussten wir halten – das erste Mal, um einer Vampirpatrouille auszuweichen, vier Blutsaugern in Rautenformation, und das zweite Mal, um einen durchsichtigen Bären passieren zu lassen. Der Bär trug Hörner auf dem Kopf. Er sah mit traurigem Blick zu dem Einspänner hinüber, dabei rann ihm durchsichtiges Feuer den Rücken hinab. Dann trottete er weiter seines Wegs.
    Ein Geisterfluss floss neben der Straße her, sein Wasser war schwarz und zäh wie flüssiger Teer. Ich gab mir große Mühe, mich davon fernzuhalten. Die Wesen, die sonst die Nacht mit ihrem Geheul und ihren Schreien erfüllten, schwiegen, lauschten, lauerten. Die ganze Stadt pulsierte nach einem gemeinsamen Motto: Ein Flair kommt, ein Flair kommt, ein Flair komm t …
    Andreas Krämpfe kamen nun häufiger, etwa alle fünfzehn Minuten. Ich erkannte den Beginn eines Krampfs daran, dass sie dann einen leisen, erstickten Schrei ausstieß, bei dem ich zusammenzuckte.
    Schließlich ließen wir die Stadt hinter uns und fuhren die vertraute Fernstraße hinab, vorbei an dem zerstörten Industriegebiet. Die Nacht wurde nun immer dunkler, und der Sternenhimmel zeigte sich in seiner ganzen Pracht. Normale Bäume, die bei Tageslicht ein hübscher Anblick gewesen wären, verwandelten sich in knorrige Ungetüme, die ihrer Beute auflauerten. Dies war der Weg zur Festung, dem Ort, an den sich das Rudel zurückzog, wenn ihm Gefahr drohte.
    Wir kamen an einer Tankstellenruine vorbei. Die Tür fehlte, und die

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