Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Ganz gleich, wie groß ihre Macht war, es konnte nicht einfach sein, zwei gleichzeitig zu kontrollieren. Wahrscheinlich führten sie die gleichen Bewegungen aus, wenn sie als Gruppe auftraten.
Eine dritte Gestalt folgte, ein nackter Mann, der so dünn war, dass ihm die Haut an den Knochen hing. Unter der armseligen Brust zeichneten sich deutlich die Rippen ab. Er wandte den Kopf, überblickte den Krater, und ich sah seine Augen, die gelb wie Eidotter waren. Dunkelheit.
Die drei Untoten erstarrten und standen reglos wie Statuen da. Sie kosteten die Dramatik ihres Auftritts bis zum letzten Tropfen aus.
Eine ganze Weile geschah nichts.
Danach geschah immer noch nichts.
»Leg endlich los«, knurrte ich.
Es geschah immer noch nichts. Allmählich wurde es lächerlich.
Der Nebel teilte sich. Erra kam in Sicht. Sie überragte ihre Untoten um Haupteslänge. Das Licht der Feuer umspielte sie. Ein weißer Fellumhang floss von ihren Schultern, und der Wasserfall ihres Haares war ein dunkler Fleck auf dem hellen Kragen.
Am Mole Hill wurde es totenstill.
Erra überblickte die Menge, musterte die Bogenschützen, die Leute von Biohazard, die Fahrzeuge, die Ausrüstung, das Publikum in den Ruinen … Sie hob die Arme, und der Umhang glitt zu Boden.
Glänzender roter Stoff umschmiegte ihren Körper. Er klebte an ihr wie eine zweite Haut aus reinem Scharlachrot. Anscheinend war meine Tante unter die Latex-Fetischisten gegangen. Wäre doch möglich.
Sturms Hand tauchte unter seinem Umhang hervor. In der Faust hielt er eine große Axt. Das orangefarbene Licht der Flammen schimmerte auf der fünfundzwanzig Zentimeter langen Klinge, die an einem Stiel von mehr als einem Meter Länge befestigt war. Die Axt brachte schätzungsweise sechs Pfund auf die Waage. Ein normaler Schwertkämpfer wäre damit unglaublich langsam, aber bei ihrer Stärke dürfte das keine Rolle spielen. Sie konnte die Waffe den ganzen Tag lang schwingen und anschließend noch mit einem Bären ringen.
Sturm drehte sich um, ging fünf Schritte auf Erra zu und kniete dann vor ihr nieder, während er ihr auf den erhobenen Händen die Axt anbot.
»Wir sollten klatschen oder so«, sagte Curran. »Sie gibt sich wirklich größte Mühe.«
»Vielleicht könnten wir ein paar Schlüpfer zusammenschnorren, um sie zu ihr zu werfen.« Ich stellte die Brennweite des Fernglases so ein, dass ich ihr Gesicht scharf sah.
Erra hob den Kopf. Ihre Augen strahlten Macht aus. Sie wirkte majestätisch, wie eine arrogante Göttin, die sich vor einem tiefen Abgrund in Pose geworfen hatte. Das musste ich ihr lassen – meine Tante wusste, wie man eine Show abzog. Es wäre natürlich noch dramatischer gewesen, wenn sie sieben Untote statt nur drei aufgeboten hätte, aber wenigstens hatte sie ein paar Lakaien im Gefolge.
Erra griff nach der Axt. Ihre Finger schlossen sich um den Stiel. Sie reckte die Waffe in den Himmel, stieß einen heiseren Schrei aus und verströmte pure Macht, die die Fundamente der Ruinen wie eine Schockwelle erschütterte. Sie schlug gegen mich und entflammte mein Blut. Curran knurrte. Am Mole Hole wanden sich die Leute.
Nadeln brachen aus Erras rotem Anzug hervor. Dunkelrote Adern schlängelten sich um ihre Beine. Der Stoff floss, verdickte sich und wuchs sich zu deutlichen Formen aus: maßgeschneiderter Kürass, mit Dornen besetzte Schulterstücke, Panzerhandschuhe …
Doch kein Latex. Mist.
Ich wandte mich an Curran. »Sie trägt eine Blutrüstung. Für normale Waffen, Krallen und Zähne ist sie undurchdringlich.«
Sein Blick verfinsterte sich. »Wenn ich sie heftig schlage, wird sie es trotzdem spüren.«
Ich nickte. »Mein Schwert würde die Rüstung irgendwann aufweichen, aber das braucht Zeit. Sie weiß nicht, dass du hier bist. Wenn du abwartest, erhältst du vielleicht eine gute Gelegenheit.«
Mein privates Monster beugte sich zu mir herüber. »Versuchst du immer noch, mich vom Kampf fernzuhalten?«
Ich strich mit den Fingern über seine pelzige Wange. »Ich versuche zu gewinnen. Sie hat sich keinen Helm gemacht – dazu ist sie zu eitel.«
Trotz ihres unglaublichen Alters war sie immer noch ein Mensch, und er war ein Werlöwe. Wenn er den richtigen Moment abpasste, konnte er ihren Schädel mit einem einzigen Hieb wie eine Eierschale zerbrechen.
»Ein Versuch«, sagte er.
»Ich werde sie beschäftigen. Aber beiß sie nicht. Gebrochene Zähne sind unsexy.«
Er grinste und zeigte mir einen Mund voller fingergroßer Reißzähne. Ich verdrehte
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