Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
noch selteneren Fällen konnten sie sich fortpflanzen.
Andreas Mutter war eine Bouda, eine Werhyäne, ihr Vater war ein Hyänenwer, was sie zu einem Tierabkömmling machte, zum Kind eines Tieres. Sie gab sich größte Mühe, diesen Umstand zu verbergen – vor dem Orden, weil man sie sofort verstoßen hätte, und vor dem Rudel, weil einige Gestaltwandler sie dann töten würden. Nur eine Handvoll Menschen wusste, was sie war, und wir alle hatten stillschweigend beschlossen, dieses Wissen für uns zu behalten.
Niemand konnte vorhersagen, was die Kräfte dieses Mannes mit ihr anstellen würden. Wenn sie in Panik geriet oder zur Amokläuferin wurde, steckten wir alle tief in der Scheiße.
Die zunehmende Anzahl der Begleiter von Steel Mary machte mir Sorgen. Nach Aussage des Rausschmeißers Toby hatte der Kerl zu Joshua gesagt, er hätte noch zwei freie Götterstellen anzubieten. Was hatte das zu bedeuten? Sammelte er eine Bande um sich, deren Mitglieder er als Götter bezeichnete?
Ich rieb mir das Gesicht. Sein Modus Operandi deutete darauf hin, dass er in eine andere Stadt weiterziehen würde, aber ich hatte das Gefühl, dass er vorläufig in der Nähe blieb. Offenbar arbeitete er auf irgendein Ziel hin, und wenn er bekommen hatte, was auch immer er von Joshua haben wollte, hatte Steel Mary jetzt nur noch eine freie Stelle für Möchtegerngötter. Sobald er seine Quote erfüllt hatte, würde etwas Großes geschehen. Atlanta war das Zentrum des Südens. Hier konzentrierten sich das größte Rudel und die größte Gilde, und hier hatte die MSDU des Südens ihr Hauptquartier. Es ergab Sinn, dass Atlanta die ganze Zeit sein Ziel gewesen war. Ich wusste nicht, wo er als Nächstes zuschlagen würde, aber wenigstens konnte ich ihm jetzt ein paar Steine in den Weg legen.
Ich griff nach dem Telefonbuch und nahm den Hörer ab. Meine Karriere in der Söldnergilde schien sich endlich auszuzahlen.
Ich wählte die erste Nummer. Eine barsche männliche Stimme meldete sich. »Black Dog Tavern.«
»Hallo, Keith. Ich bin’s, Kate Daniels.«
»Hallo, Ordensermittlerin Kate. Wie steht’s?«
Ich hätte mich fast verschluckt. Ordensermittlerin? War es schon so schlimm? »Mir geht’s gut. Und dir?«
»Kann mich nicht beklagen. Wem oder was bist du heute auf der Spur?«
»Ich beschäftige mich mit einem Unruhestifter, der vor Kurzem in die Stadt kam, ein recht großer Mann in zerrissenem Umhang. Er geht gern in Bars, wenn die Magie Hochkonjunktur hat, wirft mit mächtigen Zaubersprüchen um sich und fängt Schlägereien an.«
»Klingt nach einer Menge Spaß.«
Das hing davon ab, wie man Spaß definierte. »Arbeitet dieses Mädchen, diese Emily, immer noch für dich?«
»Ja, sie ist jeden Abend hier.«
»Wie es aussieht, perlt die Macht dieses Kerls an Frauen ab. Tust du mir einen Riesengefallen und sorgst dafür, dass Emily während der Magiewogen in deinem Laden ist? Gib ihr meine Nummer und sag ihr, dass sie mich sofort anrufen soll, wenn es zu ungewöhnlichen Schlägereien kommt. Dabei geht jedes Mal eine Menge zu Bruch.«
»Nur damit du es weißt: Wenn dieser Kerl in meinen Laden kommt, werden nicht meine Möbel, sondern seine Knochen zu Bruch gehen. Er wird nichts zu lachen haben.«
Aber klar doch. »Wie du meinst. Aber gib dem Mädchen trotzdem meine Nummer. Ich weiß, dass deine Jungs mit ihm fertig werden, aber tu mir einfach den Gefallen. Ich würde diesen Kerl wirklich gern in die Finger bekommen.«
»Wird gemacht«, sagte Keith.
»Danke.« Ich legte auf. Das war das Beste, was ich erwarten konnte. Ich glitt mit dem Finger neben die nächste Nummer und wählte.
»Devil’s Pit«, meldete sich eine Frau.
»Hallo, Glenda, hier ist Kate Daniels. Wie geht es dir?«
»Gut. Und selber?«
»Bin immer noch im Spiel. Hör zu. Seit Kurzem rennt ein Irrer in der Stadt herum. Er zettelt gerne Schlägereien an, und ich möchte ihm unbedingt das Handwerk legen …«
Nach anderthalb Stunden hatte ich jede Spelunke abgeklappert, in der harte Kerle verkehrten. Ich hatte auch die PAD angerufen und über die Lage informiert. Ich hatte die normale Polizei angerufen und die Beschreibung des Übeltäters durchgegeben. Ich hatte in der städtischen Gerüchteküche herumtelefoniert und dafür gesorgt, dass die Neuigkeiten verbreitet wurden. Ich hatte die Gilde angerufen und mit dem Buchhalter gesprochen. Ich kannte ihn schon seit Jahren. Er war ein gepflegter Mann mittleren Alters und saß am Empfangstresen. Jeder Söldner sah
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