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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Erdschicht Schlangennester verborgen, und wenn er nur kräftig genug zuträte, könnte er sie alle zermalmen.
    »Wind«, hatte der mürrische Werwolf gesagt, nachdem er mir die Zügel überreicht hatte. Keine vierundzwanzig Stunden zuvor hatte ich sein Gesicht mit Wolfswurz traktiert, daher zählte ich nicht gerade zu seinen Lieblingspersonen. »Er heißt Wind.«
    Ich hatte noch überlegt, ihn zu fragen, was man sich dabei gedacht habe, diesem illegitimen Spross eines ritterlichen Schlachtrosses und einer übergroßen Ackerstute einen Namen anzuheften, der eines Königs der Rennstrecke würdig gewesen wäre, ließ es dann aber bleiben. Und nun ritt ich auf Wind im Schritt durch die dunkle Stadt. Schneller wollte er nicht. Currans heulender Jeep musste sich bei diesem Tempo nicht ins Zeug legen, und Nick konnte ich nirgends erblicken. Sein roter Wallach war beim ersten Fauchen des magiebetriebenen Motors davongaloppiert und bestand seither auf sicherem Abstand.
    Ich tätschelte Wind den Hals. »Na, wenigstens bist du nicht schreckhaft.«
    Da hätte ich auch gleich gegen einen Tornado anbrüllen können, denn der verdammte Jeep übertönte alles und jeden.
    Die Magie war in vollem Schwange, strömte mit all ihrer Macht durch die verschlafen daliegende Stadt. Sie mischte sich mit dem Mondschein, wirbelte durch die Gassen, wuchs inmitten der Gerippe ausgeweideter Gebäude empor, fraß Beton und Kunststoff. Und während wir durch das aufgegebene Industriegebiet ritten, in nördliche Richtung, nach Conyers und zur Erdstrahlenader, sahen wir, wie sich die bröckelnden Ruinen einst stolzer Gebäude allmählich in Luft auflösten, während die Magie triumphierte. Es war nicht möglich, dass alles nicht als bedeutsam zu empfinden. Ein abergläubischer Mensch hätte darin ein Omen gesehen, ein dunkles Vorzeichen künftiger Ereignisse. Ich warf diesem Friedhof menschlicher Ambitionen einen finsteren Blick zu und ritt weiter. An diesem Abend hätte ich zehn Jahre meines Lebens dafür gegeben, wenn die Technik für ein paar Stunden zurückgekehrt wäre. Doch wie es aussah, hatte ich wahrscheinlich überhaupt keine zehn Jahre zu vergeben.
    Vor uns leuchtete der Endpunkt der Erdstrahlenader auf, und dieser Anblick riss mich zurück in die Realität. Wir trafen gleichzeitig dort ein, und das Fauchen von Currans Jeep versetzte Nicks Wallach erneut in panische Zustände.
    »Mach das Ding aus!«, schrie ich über das Getöse hinweg.
    »Geht nicht! Der braucht zu lange, um wieder warm zu werden!«, brüllte Curran zurück.
    »Wieso reitest du nicht auf einem Pferd?«
    »Was?«
    »Ein Pferd! Ein Pferd!«
    Curran verriet mir mit einer Geste, was er von diesem Vorschlag hielt.
    Ein Tier huschte aus der Dunkelheit hervor, hielt inne und richtet sich auf, bis es sicher sein konnte, dass wir es bemerkt hatten. Es ähnelte einem Rotluchs, aber nur vage. Dafür war es zu groß, wog sicherlich dreißig Kilo, und Rückgrat und Beine waren zu lang und unverhältnismäßig schmal. Die obere Gesichtshälfte war unbestreitbar katzenartig, während die untere von einem menschlichen Kiefer und einem eher kleinen Mund mit rosa Lippen beherrscht wurde. Es war ein verstörender Anblick.
    Nun hatte ich zumindest eine Ahnung, wie die Haare damals an den Tatort des Mordes gelangt waren.
    Als er sicher war, dass wir ihn gesehen hatten, lief der albtraumhafte Rotluchs mit erstaunlicher Schnelligkeit die Straße hinab. Nick preschte hinterher, ebenso Curran in seinem Jeep. Nach einigem guten Zureden bemerkte auch Wind, dass er sich in Bewegung setzen sollte.
    Wir folgten dem Rotluchs fast eine Stunde lang aus der Stadt heraus, eine Fernstraße entlang. Die Pferde begannen schon müde zu werden, doch das Raubtier wurde nicht langsamer. Schließlich huschte der Luchs in eine Seitenstraße, unter die Baumkronen einiger großer Kiefern. Hier hatten die mächtigen Baumwurzeln den Straßenbelag aufgesprengt. Wir mussten langsamer reiten, und der Jeep kam auf diesem Weg nicht weiter.
    Nick folgte der Katze, und ich wartete ab, während Curran den Jeep am Rande der Fernstraße parkte und den Motor abschaltete.
    Dann stieg er aus und lief uns nach. Ich stieß Wind meine Absätze in die Flanken – subtilere Winke schien er nicht zu verstehen –, und mein treues Ross trabte Nick hinterher.
    Ich holte den Einzelkämpfer am Ende der Straße ein, wo die Bäume einer ausgedehnten Lichtung wichen. Vor uns ragte ein großes, bedrohlich wirkendes rotes Backsteingebäude empor.

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