Stadt der Fremden
ihren Geschichten über Ez’ Jugend fortfuhren.
13
Zynisch betrachtet – wer waren wir schon? Nicht viele. Eine Ansammlung von Niemanden, Floakers, regimekritische Personalmitarbeiter, eine Handvoll kostbare Botschafter. Doch unsere Zahl wuchs, und unsere Erlasse wurden nicht völlig ignoriert. Botschaftsstädter hörten auf das, was wir vorschlugen, erbaten oder befahlen.
Wir – vor allem MagDa – arbeiteten hart an unseren wenigen Kontakten mit Ariekei. Wir arbeiteten hart, und damit Schluss: zu hart für mich, um genau in dem Moment das – was auch immer es war – zu fühlen, was ich letztendlich empfinden müsste, etwa bei Ez’ Beschimpfung oder bei der Lektüre von Ehrsuls Brief. MagDa überredeten sogar einige der Ariekei, die sich noch am stärksten selbst kontrollierten und schlüssig verhielten, zu einem Besuch in den Korridoren der Botschaft, und zwar nicht einfach nur zu einer begierigen Pilgerreise zu EzRa, sondern um neue Geschäfte zu vereinbaren. Sie könnte sie mit einem Schnipsel einer noch nicht gehörten Aufzeichnung von EzRa belohnen, dem Ergebnis einer der seltenen verstohlenen Abhörbemühungen.
»Einige von ihnen wissen, dass dies ein Problem ist«, sagte Mag. »Die Ariekei. Man kann es erkennen.«
»Einige von ihnen«, wiederholte Da. »… es gibt irgendeine Art von Debatte, irgendeine Art von …« »Einige von ihnen möchten geheilt werden.«
Überall entstanden Gerüchte. Unsere Cams wehten immer noch durch die Gastgeberstadt. Einige wurden von den Antikörpern abgefangen, die von den Häusern abgesondert wurden und die wie insektenhafte Raubtiere aufstiegen. Wenn sie jedoch feststellten, dass die Cams keine Bedrohung darstellten, ließen sie sie unbehelligt. Das Filmmaterial lehrte uns mehr über die Stadt unserer Gastgeber, als wir jemals gewusst hatten, zu spät allerdings. Und jede kleine, halb gesehene Bewegung, alles, was wir da draußen erblickten – das Was und Wo von etwas, das wir nicht identifizieren oder aufklären konnten –, gab Nahrung für Geschichten über vergessene Geheimnisse, fünfte Kolonnen, freiwillig im Exil lebende Personalmitarbeiter und alten Groll.
Auf den landwirtschaftlichen Flächen entstanden bei unregelmäßigen Ernten riesige Herden von Bio-Fabrikaten. Lebensmittel und Techniken wurden von diesen Gebieten auf biotischen Wegen angeliefert. Die Sucht war chemisch: Sie verbreitete sich in einem langsamen Strom von der Gastgeberstadt zu den Kralen und den ländlichen Ariekei. Letztere fingen an, die ihnen anvertrauten Güter zu vernachlässigen. Sie gingen in die Gastgeberstadt, wegen der Klänge, die sie plötzlich benötigten, ohne sie jemals gehört zu haben. Ihre verlassenen Landgüter wurden krank, keuchten und wurden hungrig. Es verwilderten Herden von fabrizierten Geräten, medizinischen Technikprodukten und Bauwerkzeugen sowie umgürtete, nashorngroße Spinner von Protein- und Polymergrundlagen.
Als ihre Hirten die Gastgeberstadt erreichten, gab es niemanden, der sie empfing. Die Ariekei vom Lande sahen, wie ihre am schlimmsten betroffenen Landsleute bei den Lautsprechern ruhten und vor Hunger starben, während sie auf den nächsten Satz warteten. Ihre Leichname lagen einfach nur da; die letzte Ehre blieb ihnen verwehrt. Wenn die Gebäude um sie herum noch ausreichend gesund waren, bauten ihre hundegroßen Bakterien die Leichen ab.Wenn nicht, schmierten die langsameren Prozesse der inneren Verwesung sie allmählich in die Straße hinein.
Es gab häufig Kämpfe. Der Entzug und das ariekenische Verlangen führten zu Aggression. Die von der Sucht Befallenen suchten unvermittelt nach EzRas Sprache und machten sich dabei über alle möglichen Dinge her. Ein weniger betroffener Ariekei – für gewöhnlich vom Land – konnte noch seinen Fächerflügel in formeller Kampfeslust kräuseln, doch die Süchtigeren hatten keine Zeit für traditionelle Zurschaustellungen und warfen sich einfach mit Klauen und Präsentflügeln auf ihre erschrockenen Gegner. Einmal sah ich auf Filmmaterial, wie EzRas Übertragung mitten in einer solchen Schlacht begann. Sofort plumpsten die Kämpfer gegeneinander und umschlangen sich wie in enger Zuneigung, wobei ihre Wunden immer noch bluteten.
»Die Situation wird wieder schlimmer«, befand Da. Wir waren im Begriff, den ganzen Planeten zu infizieren.
»Das ist nicht die einzige Sache, mit der wir fertig werden müssen.« Es war Bren, der diese Worte sprach. Er stand im Eingang. Eine verdächtig perfekte Pose:
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