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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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sprangen schnell und weit auf sie hoch, packten mit ihren Präsentflügeln zu und schrien in Sprache . Wir wehrten sie ab. Wir töteten sie, wenn wir es mussten. Ich habe Ariekei gesehen, die erschossen waren, zerrissen von Sprengstoff, verbrannt durch den ätzenden Auswurf von Bio-Fabrikaten oder zerschnitten von Klingen. Wenn jemand seinen ersten Ariekei tötete, zerbrach ein Leben konditionierten Respekts: Der Schütze weinte. Beim zweiten Mal nicht.
    Tiere drangen in die verlassenen Straßen ein. Altbrocks, Füchse und Affen zogen neugierig entlang der Spurrillen. Truncatoren kletterten Abflussrohre hoch und zerrten mit den Zähnen an sich lockernden Fenstern. Gelegentlich schoss ein depressiver Wächter eines der Tiere, woraufhin die anderen auseinanderstoben. Rasch jedoch galt es als Unglück, wenn man ein Terre-Tier tötete. Stattdessen wurde es zum Sport, die flatterigen, torkelnden, merkwürdig gehenden ariekenischen Tiere umzubringen, die auch kamen. Die Truncs gehörten weder zu den Terre-Arten noch zu den einheimischen, und niemand war sich sicher, ob sie Ziele waren oder nicht. So ließ man sie unbehelligt.
    Wir vermieden es, über unsere unzureichenden Vorräte nachzudenken, ob an Lebensmitteln, an Energie oder all dem anderen Zeug, das wir brauchten. Eine Erzählung kam mit unseren Wällenaus zerfetztem Abfall empor: In ihr ging es um letzte Gefechte und Widerstand, um den Ansturm von Horden. Sie half uns. An den Abenden versammelten sich die Leute in den kleinen Stadtvierteln, die uns geblieben waren. Ich war überrascht über das, was uns Trost schenkte. Künstler untersuchten sorgfältig unsere Archive: digitale Archäologie, die Millionen von Stunden in die Vergangenheit zurückging, zur Vor-Diaspora-Zeit. Sie zogen korrodierte antike Dichtungen auf Bildschirmen hoch.
    »Diese sind georgisch oder römisch, wie ich vermute«, erzählte mir ein Veranstalter. »Sie sind allerdings in frühem Englisch.« Männer und Frauen in verblasster Farbe und ungeschickter Symbolik waren in einem Haus verschanzt und bekämpften extrem kranke Figuren. Die Farbe kehrte zurück, und die Protagonisten waren in einem Gebäude voller Produkte, und noch kränkere Feinde als zuvor kamen, um sie unerbittlich abzuholen. Natürlich deuteten wir die Geschichte als unsere.
    Wir wussten, dass die Ariekei unsere Verteidigungsanlagen durchbrachen. Sie betraten die Häuser, die an unser Gebiet grenzten, und gelangten zu Hinter- und Seitentüren, zu großen Fenstern und Löchern. Einige kamen aus den Vordertüren heraus direkt auf unsere Straßen und zerrissen alles, was sie fanden. Jene, die noch über Reste ihres Gedächtnisses verfügten, versuchten zur Botschaft zu gelangen. Sie kamen in der Nacht. Sie waren wie Monster in der Dunkelheit, wie Gestalten aus Kinderbüchern.
    Es gab andere Gefahren: menschliche Banditen. Ein Gerücht machte die Runde, dass eine Gruppe von Verbrechern Kedis und Shur’asi ebenso wie Terre-Wesen umfasste. Es gab keine Beweise dafür. Dennoch: Als an unserer Hauptbarrikade ein Shur’asi tot aufgefunden wurde – und er mit Sicherheit durch Menschenhand sein Leben verloren hatte –, raunte man sich die Entschuldigung zu, dass er ein Mitglied jener Räuberbande gewesen sei. Shur’asi starben nur durch Gewalt oder einen Unfall, und für diese Rasse stellte der Tod – der Tod eines jeden Shur’asi – ein Gräuel dar, das so gewaltig wie der Sündenfall war.
    Nicht alle Ariekei, deren Leichen wir beseitigten, waren von uns getötet worden, und auch nicht durch die willkürliche Brutalität von anderen befallenen Gastgebern. Einige waren das Opfer einer fremdartigen Grausamkeit, die viel bedachter zu sein schien.
    »Das waren jene, die wir gesehen haben«, sagte Bren zu mir. »Die ohne Fächerflügel. Wir machen uns Sorgen wegen der Süchtigen, aber wir müssen auch über sie nachdenken.«
    »Wo sind YlSib?«, erkundigte ich mich.
    »Sie sind nicht verrückt, weißt du«, erwiderte er. »Es gibt Möglichkeiten, sich in der Gastgeberstadt aufzuhalten. Yl, Sib … und andere. Du weißt, das Botschaftern ist nicht immer erfolgreich.«
    »Diesen Ort muss man schließen, Bren. Herrgott. Diese Leute können nicht auf diese Weise verwahrt werden.«
    »Ich weiß.«
    Zum zweiten Mal blieb ich die Nacht bei ihm. Wir sprachen sogar noch weniger als beim ersten Mal, doch das war wirklich in Ordnung: so in Ordnung, wie es nur sein konnte in dieser Nacht.
    »Glaubst du, dass es Sprachen gibt, die von drei Stimmen

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