Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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stellte mir vor, wie der visionäre Enthusiast, den ich geliebt hatte, durch Botschaftsstadt schlenderte, um einen Ort zu finden, wo er sich selbst ein Ende setzen könnte. Ich fragte mich, wann wir ihn finden würden. MagDa nahmen mir die Notiz aus der Hand. Da las sie und gab sie dann Mag.
    »Du solltest das lesen«, meinte Da.
    »Ich werde es nicht lesen«, entgegnete ich.
    »Der Text erklärt einiges. Seine … Theorien …«
    »Verfluchte, MagDa. Ich werde es nicht lesen.« Ich zwang sie, den Blick zu abzuwenden. »Er hat die Oates Road genommen. Er ist fort. Seine verdammten Theologien interessieren mich nicht. Ich kann euch erzählen, was sie beinhalten. Sprache ist die Sprache von Gott. Die Ariekei sind Engel. Scile ist vielleicht ihr Bote. Und jetzt ist es der Sündenfall. Und unsere Lügen korrumpieren sie?«
    Brens Gesicht blieb starr. MagDa bewegten sich, sie konnten die Richtigkeit dessen, was ich gesagt hatte, nicht abstreiten.
    »Du glaubst, du wärest die Einzige, die leidet«, hielten sie mir vor. »Überwinde dich selbst und mach es jetzt, Avice.« »Als er das hier gelesen hat …« Mag oder Da wedelte mit Sciles Brief. »Das war der Augenblick, der Vin zum Selbstmord trieb, verstehst du das?«
    »Was haben sie gemacht?«, rief ich. »Was hat Vin gedacht? Was also sagt Scile …?« Ich bedauerte sogleich, gefragt zu haben.
    »Einfach, dass er es nicht mehr hier ertragen kann«, antwortete Bren. »Und so ist er gegangen. Und die Gründe, weshalb. Es sind diejenigen, die du gesagt hast.«
    Die selbstverstümmelten Ariekei ohne Fächerflügel mordeten weiter ihre Nachbarn. Bren schickte Vesp-Cams auf die Suche. Er folgte vagen Hinweisen, die – da war ich mir sicher – von YlSib und anderen Kontakten kamen. Wir sahen die Überfälle der gehörlosen Ariekei und ließen Cam-Schwärme in die Leichen von Häusern und in die Löcher eindringen, wo Wohnstätten sich entwurzelt oder sublimiert hatten. Ich wusste nicht, wonach wir suchten. Scile hatte uns keine Hinweise gegeben, in welche Richtung er fortgegangen war, um zu sterben. Ich stellte mir wiederholt vor, wie die Linsen Sciles Leichnam fanden. Doch das geschah nicht.
    Wir fanden die neue Brut ohne Fächerflügel. Sie verkrochen sich unten in den Ruinen und berührten gegenseitig ihre Haut und deuteten aufeinander. Wenn sie unsere Cams fingen, zerstörten sie sie. Sie machten Jagd auf die Redies.
    Es gab Ariekei, die in ihrer Abhängigkeit nicht so weit fortgeschritten waren wie die süchtigen lebendigen Toten und die auch nicht so wütend waren wie die marodierenden Horden: In den bio-fabrizierten Gebäuden oder deren Knochengerüsten redeten sie verzweifelt in Sprache , und zwar so schnell, dass Bren Mühe hatte, ihnen zu folgen. »Unterredungen wie diese habe ich noch nicht gehört«, erklärte er. »So vieles ändert sich.«
    Sie versuchten zu leben. Sie schrien nach EzRas Stimme und errichteten Lager rund um die Lautsprecher, die inzwischen seit Tagen still gewesen waren. Sie reinigten sie wie Totems. Sie pflegten die wenigen jungen Überlebenden und beschützten die älteren Personen, die nicht mehr empfindungsfähig und ebenfalls süchtig waren, obschon sie dies nicht wussten. Wir sahen eine Pattsituation zwischen einer winzigen Gruppe von denen, die sich zumindest einen Rest von Zivilisation bewahrt hatten, und den heruntergekommenen Gestalten, die auf die geistlosen Älteren blickten und ihren Mund hungrig bewegten.
    Auf eigene Faust beobachtete ich anderes. Ich wühlte mich durch Filmmaterial von Grenz-Cams aus der Nacht, in der wir Vin fanden. Niemand wusste davon. Schließlich entdeckte ich ein paar Sekunden von meinem Mann, wie er aus Botschaftsstadt hinausspazierte. Eine weitere Änderung der Blickperspektive nach einem abrupten Wechsel, und ich beobachtete ihn, wie er eine von unseren niedrigeren Barrikaden hinabstieg.
    Er blickte zu etwas hoch, was eine andere Cam gewesen sein musste; deren Datenstrom konnte ich jedoch nicht finden, sodass ich seinen Gesichtsausdruck niemals vollständig sah. Doch ich konnte erkennen, dass es Scile war. Er ging. Er spazierte nicht langsam und auch nicht mit offenkundiger Schwermut. Er marschierte in die gefährliche Straße hinein wie jemand, der etwas erforschte – in diesen Sekunden, in denen ich ihn sah, bevor das Signal stotterte. Und dann war da nur noch die Straße, und er war fort.
    Während der Wochen seiner Kerkerhaft hatte Wyatt, Bremens überflüssiger Mann, wiederholt gefordert, mit uns