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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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zu sein. Sie gaben uns eine schmutzige Hoffnung. Es war eines der selbstlosesten Dinge, die ich jemals erlebt hatte.

16
    Die Vivisektion des Süchtigen in der Krankenstation brachte uns keinerlei Erkenntnisse.
    Innerhalb von Tagen wusste Botschaftsstadt, dass das Komitee versucht hatte, das, was kam, abzuwehren: dass es versucht hatte, einen neuen EzRa zu erschaffen, und damit gescheitert war. Die Nachricht verbreitete sich, weil sich Nachrichten nun mal verbreiten. Geschichten und Geheimnisse kämpfen gegeneinander; Geschichten gewinnen, stoßen neue Geheimnisse ab, gegen die neue Geschichten kämpfen, und so weiter.
    Mag und Da hatten uns dazu gebracht, in den Krieg zu ziehen. Zu spät. Doch jene von uns, die nicht verzweifelten, errichteten Barrikaden. Wir hatten das Randgebiet von Botschaftsstadt aufgegeben. In einigen Straßen dort schleppten wir den Hausrat der verlassenen Gebäude nach draußen, brachen ihn auf und warfen alles quer über die Wege. Mit Baggern hoben wir Gräben aus und häuften die Ruinen unserer Straßen zusammen mit der ariekenischen Erde darunter zu schrägen Futtermauern auf. Wir stärkten sie mit Plastone und Beton; dann stellten wir Schützen auf, um die Überreste unserer Stadt vor den Ariekei in Not zu schützen.
    Gebäude wurden zu Geschütztürmen. Wir hatten immer schon ein paar Waffen besessen, denen wir die aus den geheimen Lagern von Bremen hinzufügten. Ingenieure und Bastler stellten neueGeschütze her. Wir untersuchten unsere gesamte Technik nach bio-fabrizierten Bestandteilen und zerstörten sie beim geringsten Anzeichen von Suchtbefall. Wir verbrannten die verunreinigten, kreischenden Maschinen in Autodafés von häretischer Technologie.
    All das kam zu spät, wie wir wussten. Botschafter EdGar hängten sich selbst auf. EdGar waren im Komitee gewesen. Ihre Selbstmorde schockierten uns von Neuem. Botschafter waren Selbstmordpioniere, und andere Botschaftsstädter ahmten ihre Tat nach.
    Hin und wieder erstiegen Männer und Frauen die Barrieren an unseren Grenzen. Sie atmeten mit tragbaren Äoli und hielten Messer, Knüppel und selbst gemachte oder selbst gezüchtete Gewehre in den Händen. Sie stapften über unsere Befestigungsanlagen in ein Gebiet hinein, das kürzlich erst Straße gewesen war, jetzt aber Ödland darstellte. Sie verließen uns und schwenkten in Seitenstraßen ein. Mit vorgestreckten Waffen führten sie Manöver aus, mit denen sie die Vorstöße unserer Polizisten und die via Flapo eingeführten Polizeidramen in Charo-Stadt-Kulissen nachahmten. Manchmal, an den Grenzen unserer Sichtweite, wurden sie von Ariekei erwartet, die neben kränklichen einheimischen Gebäuden standen.
    Wir versuchten nicht, diese Einweg-Erforscher aufzuhalten. Ich bezweifle, dass sie dachten, sie könnten dem Schicksal von Botschaftsstadt entfliehen, indem sie in schlechte Luft und in eine verdorbene Stadt von Außerirdischen hineingingen. Ich glaube, sie wollten bloß irgendetwas tun. Wir nannten sie die Morituri, die »Todgeweihten«. Nachdem die ersten paar weg waren, sammelten sich kleinere Mengen von Zuschauern und jubelten den weiteren Morituri zu, wenn sie gingen.
    Die Ariekei waren nun Schrecken erregend. Alle waren krank und am Verhungern. Alle waren dünn oder seltsam aufgebläht durch Hungergase. Ihre Augen hatten ungewohnte Farben. Sie zuckten oder schleppten Gliedmaßen nach sich, die nicht mehr funktionierten. Ihre Fächerflügel zitterten. Einige versuchten noch mit uns zu arbeiten. Sie mühten sich gegen ihre Sucht. Am Fuße der Barrieren versammelten sie sich und zeigten demonstrativ, dass sie sie nicht zu durchbrechen versuchten, um ihren guten Willen zu beweisen. Sieriefen uns. Wir holten MagDa, RanDolph oder einen anderen Botschafter des Komitees, und sie versuchten zu verhandeln.
    Manchmal ließ die Gastgeber Energie, Kraftstoff oder auf wundersame Weise nicht verdorbene Bio-Fabrikate zurück. Wir gaben ihnen die Nahrung oder Medikamente, die sie nicht mehr länger selbst herzustellen vermochten. Wir versprachen ihnen EzRas Stimme, die alles war, worum sie uns baten. Welche Ahnungen sie auch immer darüber hatten, wie Lügen funktionierten und wie das Wesen unserer Versprechen war, sie zeigten keinen Argwohn. Sie warteten verzweifelt. Oft zerstreuten sie sich nur, wenn sie von ihren weniger beherrschten Geschwistern fortgetrieben wurden.
    Die verzweifeltsten Redies, die zu Planungen nicht mehr imstande waren, kamen mit voller Geschwindigkeit auf die Barrikaden zu,

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