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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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was man versprechen sollte, ob sie logen und wie sie dazu gebracht wurden, mit dem Lügen aufzuhören. Er wurde jung angeworben, und sie hatten seine außergewöhnlichen Fertigkeiten verfeinert, mit Übungen, Fokussierungsverfahren und auch mit invasiveren Methoden. Sie hatten ihn verändert.
    Einige aus unserer kleinen Gruppe murmelten und unterbrachen so Wyatt.
    Ich schnipste mit den Fingern, um sie zum Schweigen zu bringen. »Was?«, fragte ich und winkte mit der Hand in Richtung Wyatt: Fahr fort . »Sie machten ihn … was …? Zu einem Gedankenleser?« Ez saß außerhalb unserer Hörweite, seinen Kopf hielt er immer noch gesenkt. Ich wünschte, die Wachen würden ihn schlagen.
    »Natürlich nicht«, antwortete Wyatt. »Telepathie ist unmöglich. Doch mit den richtigen Drogen, Implantaten und Empfängern kann man Gehirne in eine bestimmte Phase bringen. Genug. Mit einer einfühlsamen Person wie ihm …« Wyatt brach ab, als ich über diese Worte höhnisch grinste. Dann fuhr er fort: »Du weißt, was ich meine. Es gibt nicht viele von ihnen. Doch jemand wie er – wenn sie ihn bearbeitet und ihn dazu gebracht haben, mit jemand anders zu trainieren, mit der richtigen eingesteckten Hardware …« Er klopfte gegen seinen Kopf. »›Ez’ dort kann sich dazu bringen, dass sein Gehirn genau dieselben Werte zeigt wie jene andere Person.« Er ahmte mit seiner Hand die Wellen von Sinuskurven nach. »Derselbe Output. Es besteht ein Zusammenhang mit der Verbindungstechnik, doch es ist viel stärker; bringt die Köpfe in Einklang, so lange, wie einer von ihnen … Nun, eine einfühlsame Person in Anführungszeichen ist.
    Zuerst dachten sie über völlig anderes Zeug nach: verdeckte Ermittler, ID-Leser täuschen, Agenten durch Scans bringen … Gehirnwellen nachahmen und was weiß ich nicht alles. Dann ist ihnen etwas passiert.« Plötzlich sprach er langsam. »Ihr wisst vermutlich,dass sie einst versucht haben, ihre eigenen Doppel zu züchten? Damals in Charo-Stadt? Als die Kolonie neu war.« Er schüttelte den Kopf. »Lief nicht so gut. Man erzählt sich, sie haben sich Jahre darin versenkt: ohne irgendwelche Ariekei, die mitgehört hätten, um die Fertigkeiten auf die Probe zu stellen, ohne ein Gespür für Botschaftsstadt vor Ort zu haben – Flapos gab es damals sogar noch seltener. Es endete damit … nun, mit Paaren von Leuten, die in Bremen als verhaltensgestört gelten können.« Er zeigt die Zweiheit mit seinen Händen an. »Und überall anders auch. Nicht zuverlässig. Doch hier ist Rukowsi. Die Überlegung war: Er könnte ein Weg sein, um ein altes Problem zu lösen.«
    Das Geheimnis – was genau nahmen die Gastgeber in den Stimmen unserer Botschafter wahr? – blieb ungelöst: Alles, was Charo-Stadt festgestellt hatte, war, dass nach Implantaten, Augmens, Chemikalien und Hunderten von Übungsstunden Joel Rukowsi und sein Agentenkollege, Linguist Coley Wren – Codename Ra –, die Fähigkeit besaßen, eine erstaunlich hohe Punktzahl auf der Stadt-Skala zu erzielen.
    Niemand hatte gewusst, ob es für die Ariekei wie Sprache klingen würde. Doch der »Stadt« war der einzige Test, den man dafür hatte; und die Agenten sahen zumindest so aus, als ob sie ihn bestanden hätten. Wenn es in der Praxis nicht funktionierte, wenn es in der Weise scheiterte, wie sich die Zahlmeister vorstellten, dass es fehlschlagen könnte, wenn EzRa sprächen und höfliches Unverständnis hervorriefen, dann hätte man nichts verloren. Zwei Berufsagenten würden einen langen und langweiligen Einsatz haben bis zum nächsten Schiff, das sie zurück nach Bremen brachte. Was aber, wenn sie Erfolg hätten?
    »Keiner von euch Leuten ist ein Dummkopf«, fuhr Wyatt fort. »Warum wollt ihr glauben, wir wären es? Ihr denkt, wir bekämen all eure Provokationen nicht mit, eure vorgetäuschten Besprechungen, eure geheimen Agenden, euren Ungehorsam, eure hinterzogenen Steuern, eure Manipulationen bei den Bio-Fabrikaten – ihr behaltet die besten oder richtet sie so her, dass niemand außer Botschaftsstädtern sie zum Funktionieren bringen kann? Ihr denkt, das seiunbemerkt geblieben? Um Gottes willen, wir haben seit Hunderttausenden von Stunden gewusst, dass ihr auf eure Unabhängigkeit hinarbeitet.«
    Das Schweigen, das nach seinen Worten herrschte, hätte noch vor Kurzem eine Kriegserklärung bedeutet. In diesen neuen Zeiten war es einfach nur ein Schweigen. Was er sagte, fühlte sich nicht wie eine Offenbarung an, sondern wie etwas Unhöfliches.

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