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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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versuchten, den Rabenvogel zu erreichen, und wurden eingeholt. PorSha schrien in Sprache die Angreifer an. Wartet, wartet, keine weiteren Aktionen dieser Art! , riefen sie. Bitte, wir bitten euch, das nicht zu tun … Wir verloren diese Cam, und als sie zurückkam, waren PorSha tot. Bren fluchte.
    Alle Lautsprecher, die wir auf dem Farmland aufgestellt hatten, begannen plötzlich, EzCals Stimme in großer Lautstärke wiederzugeben. Die Gott-Droge hatte sich gegenseitig hier in Botschaftsstadt gefunden und brüllte nun durch die Leitungen. Stopp! , schrien sie, und alles beruhigte sich. Ich beugte mich dem groben Bild zu. Das Gemetzel … all die bewegungslosen Ariekei.
    »Jesus!«, entfuhr es mir bei diesen Opferzahlen. Ich hielt die Hände hoch.
    »Was machen sie?«, fragte Bren.
    Stehen bleiben! , schrie die Gott-Droge über die Kilometer hinweg. Kommt nach vorn und bleibt vor der toten Botschafterin stehen.
    Sekundenlang gab es keinerlei Bewegung. Dann trat ein Ariekei aus der Menge heraus und machte vorsichtige Hufschritte in Sicht der Cam. Die anderen beobachteten ihn. Seinen Rücken, seinen ausgestreckten Fächerflügel, der aufgespannt war und der Stimme aus dem Lautsprecher lauschte. Er drehte sich in und aus dem Licht, während er EzCals Stimme zuhörte.
    Es gab keinen anderen Fächerflügel in der Masse der Mörder.
    »Das ist ein Farmer«, sagte ich. »Er ist keiner von ihnen.«
    Ein großer Ariekei gab zwei seiner Gefährten einen Klaps mit seinem Präsentflügel und zeigte auf den Verzauberten, der vorgetreten war. Er wölbte seinen Rücken, um eine Wunde zu zeigen. EzCal sprachen weiter.
    »Sie haben gesehen, wie die Gebäude und jener da lauschten«, erklärte ich. »Deshalb haben sie angehalten. Nicht, weil sie es mussten.«
    Die Ariekei aus der Mordtruppe – zuerst einer nach dem anderen, dann zahllose gleichzeitig – wölbten ihre Rücken, und ich sah das Zittern von zahlreichen Fächerflügelstummeln. Ich hörte Bren raunen: »Gott.« Die Ariekei zeigten ihre Wunden. Einige erzeugten wortlose Töne. Ich bin mir sicher, es waren Äußerungen des Triumphs.
    »Sie wissen, dass wir sie sehen können«, merkte ich an.
    Selbstverstümmelte Ariekei, die den stummen, durch Stoßbewegungen des Präsentflügels zum Ausdruck gebrachten Anweisungen ihres großen Kameraden folgten, standen nun auf beiden Seiten des verzückten Landarbeiters und hielten ihn fest. Er bemerkte sie noch nicht einmal. Hört auf mit dem, was ihr tut, und lasst ihn los! , befahlen EzCal. Ihre Sprache versandete. Der Farmer hob und öffnete wiederholt seinen Präsentflügel, um der Anweisung zu gehorchen, die nicht für ihn bestimmt war. Diejenigen, für die sie bestimmt war, ignorierten sie, hörten sie nicht und hielten ihr Opfer weiterhin fest.
    Der große Ariekei zerrte am Fächerflügel des Bio-Fabrikationsfarmers. Ich zuckte zusammen. Er verdrehte den Fächerflügel. Sein Opfer kreischte mit beiden Mündern und versuchte wegzukommen – vergeblich. Der Präsentflügel seines Peinigers bewegte sich wie eine menschliche Hand, die eine Pflanze entwurzelte. Der Fächerflügel wurde abgerissen: Die Knorpel- und Muskelansätze brachen und lösten sich schließlich mit einer Explosion von Blut, wobei auch daranhängende Fasern aus dem bebenden Rücken gezogen wurden.
    Fächerflügel sind mindestens so empfindlich wie menschliche Augen. Der traumatisierte Ariekei öffnete seine Münder und stürzte betäubt vom Schmerz zu Boden. Er wurde fortgezogen. Derjenige, der ihn taub gemacht hatte, hielt seinen grotesken, tropfenden Strauß hoch. Er machte ein lautes, wortloses Geräusch. Triumph oder Wut.
    EzCal sprachen erneut, wie ich bemerkte. Sie gaben Befehle aus und wurden nicht beachtet.

22
    Das war der Beginn eines offenen Krieges. Wir nannten es das Erste Farm-Massaker, obschon es nur das einzige war, von dem wir wussten – eine schreckliche Scharfsicht. Wir brauchten Tage, um zu begreifen, was kommen würde.
    Jene letzte Verstümmelung durch einen Ariekei an einem anderen stellte eine Rekrutierung dar. Wenn das Opfer den Schock und den Schmerz überlebte, würde es zu einem weiteren Soldaten gemacht, der auf Seiten des Feindes kämpfte. »Wie erhält er Befehle?«, fragte ich, doch niemand konnte mir darauf eine Antwort geben. Vielleicht gab es ja gar keine Befehle, nur sprachlose Wut. Können sie denken? Wenn sie nicht sprechen können, vermögen sie dann zu denken? Für Ariekei war Sprache sowohl Rede als auch gleichzeitig

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