Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
Gedanke. Oder etwa nicht?
    Wir wussten nicht, ob wir unsere Präsenz auf den Farmen zurücknehmen oder verstärken sollten; also versuchten wir beides. Noch mehr Eingeweideröhren wurden gesprengt. Die Bilder waren die gleichen in unterschiedlichen Umgebungen: in einer Gruppe von Bäumen, die wie Organe aussahen; in einem Trockengebiet; zwischen Geröll. Jedes Mal gab es eine Explosion von Fleisch und den Abfall von zerstörter Fracht. Unsere Lager leerten sich.
    Die Infrastruktur war nicht das Einzige, was angegriffen wurde. Nach dem Farm-Massaker fegten die Fächerflügellosen in einen Lagerplatz hinein, der von hörenden Ariekei verteidigt wurde: Dies wurde der Felskanten-Zwischenfall. Wir hatten dort Truppen, die mit seltener Außentechnik ausgerüstet waren und mehrere der Angreifer erschießen konnten. Doch die Hälfte unserer Polizisten wurde getötet, bevor die Plünderer sich plötzlich zurückzogen, angetrieben durch irgendein Signal, das wir nicht verstehen konnten. Vielleicht durch eine Empathie mit Strömen, die wir nicht spürten, wie bei Vögeln, die kreisen und ein Organismus werden.
    Wir gewöhnten uns nicht an das Bildmaterial. EzCal beriefen eine Versammlung des Komitees ein und brachten kora  |  saygiss mit. EzCal berichteten uns, dass sie Veränderungen bei der Verwaltung der Gastgeberstadt durchführten, als ob das helfen würde. Cal sprach davon, Allianzen gegen die »Banditen« zu bilden. Ich bemühte mich zuzuhören, um unsere jetzige Politik zu verstehen. Aus Brens Gespött hatte ich vernommen, dass es dort in der Gastgeberstadt, wo keine Anarchie und keine Abtrünnigen herrschten, seltsame Machthaber wie kora  |  saygiss gab, die wie einheimische Agenten einer Kolonialmacht regierten.
    Wir mussten absurde gemeinschaftliche Streifen miterleben. Entsprechend EzCals Befehlen kontrollierten unsere Polizisten abgelegene Gegenden außerhalb der Gastgeberstadt in Begleitung von Ariekei, die gezwungen wurden, eine Miliz zu bilden. Natürlich musste stets ein Botschafter anwesend sein, um Anweisungen zu übersetzen und, wie EzCal hervorhoben, die Autorität der Gott-Droge zu repräsentieren. Sie nahmen zudem Waffentraining: Karrierebürokraten, die versuchten, sich zu verwandeln.
    Die Einsätze zerstreuten sich und schlugen fehl, als die von verwirrten Botschaftern übermittelten Befehle von Ariekei und Terre-Wesen unterschiedlich interpretiert wurden. Die Ariekei waren noch nicht einmal verbittert, soweit ich das erkennen konnte – und ich wusste jetzt, dass es so etwas wie ariekenische Verbitterung gab –, sondern nur verblüfft. Die ersten drei dieser Patrouillen erreichten nichts, und die vierte wurde angegriffen. Als der Rettungstrupp die Stelle erreichte, fanden wir unsere Terre-Leute tot, und ihre Ariekei-Kollegen waren fort: Zweifellos hatte man sie durch brutale Operationen zur Rebellenstreitmacht eingezogen. Die gemeinschaftlichen Streifengänge wurden beendet.
    »Was, wenn sie nicht kämpfen wollen? Selbst wenn ihnen die Fächerflügel weggenommen worden sind. Oder was, wenn sie gegen diejenigen kämpfen wollen, die ihnen die Fächerflügel genommen haben?« Ich, die Verräterin, war wieder beim geheimen Club der Lügner in der Gastgeberstadt, sodass die Kameraden von Spanischer Tänzer über mich nachdenken konnten.
    Sie meditierten eindringlich. So eindringlich, wie Bren mich wieder durch die Gastgeberstadt gebracht hatte. Spanischer Tänzer selbst war nicht da.
    »Ein Fächerflügel ist nicht bloß ein Ohr«, erklärte Yl. Sie und Sib schauten auf mich. »Er hört, ja.« »Es ist der Haupteingang des Geistes.« »Wichtiger als das Sehvermögen.« »Ihre Physiologie ähnelt in keiner Weise der unseren.« »Wenn sie keinen Fächerflügel besitzen, hören sie überhaupt keine Geräusche.« »Ohne ein Geräusch können sie ihre eigene Rede nicht hören.« »Was bedeutet, dass einAriekei nicht sprechen kann.« »Also kann er nicht Sprache sprechen.«
    Vielleicht blieb den Opfern kein Sinn für Wahrheit, nicht einmal ein Gedanke. Ohne Sprache mussten jene Rebellen eine gebrochene Gemeinschaft sein, falls sie überhaupt eine Gemeinschaft waren. Sprache war für die Ariekei Wahrheit: Was waren sie schon ohne Sprache ? Eine Nicht-Gesellschaft von Psychopathen.
    »Selbst wenn sie also nicht ein Teil der Rebellion sein wollen …«, sagte ich. »Mit ihren fortgenommenen Fächerflügeln sind sie …«
    »Geistesgestört.« »Oder etwas dergleichen.« »Vielleicht machen einige ja doch nicht

Weitere Kostenlose Bücher