Stadt der Fremden
sprachen.
»Warum unterstützt ihr mich?«, fragte ich YlSib. »Ich meine, wenn es funktioniert, wird es eure Situation grundlegend verändern …«
»Was haben wir zu verlieren?« »Eine Kompetenz?« »Und was wird gewonnen? Für jeden?« »Was hat unsere Kompetenz uns bis jetzt gebracht?«
Bren hatte mir erzählt, dass er seinen Doppel gehasst hatte. Es war ein leiser Hass gewesen. Der Anblick von YlSibs Erschöpfung – und wie sie sich nicht gegenseitig anschauten – ließ in mir die Frage aufkommen, ob nicht alle Botschafter genauso fühlten.
Als die Ariekei zurückkehrten, waren sie wieder ruhig. Mach weiter , forderte einer von ihnen mich auf. Ich nickte in übertriebener Weise und sagte: »Ja.« Das wiederholte ich langsam. Worum ich mich bemühte, war ein Bruch, ein Riss, ein Wechsel vom Vorher zum Nachher. Ein Umkipppunkt, der wie alle seiner Art nur ein Geheimnis sein konnte.
»Wie bin ich? Was ist wie ich?« YlSib übersetzte meine Frage und die Antworten.
»Du bist das Mädchen, dem in der Dunkelheit wehgetan wurde und das aß, was ihm gegeben wurde.« »Die Aasfresser, die zu den Latrinen unserer Häuser kommen, um sich zu ernähren, sind wie das Mädchen, das aß, was ihm gegeben wurde.«
»Reizend.« Ich wollte unbedingt, dass sie sich um Poesie bemühten. Ich schloss die Augen. Sie behaupteten Ähnlichkeiten. Ich ließ sie nicht damit aufhören. Nach einiger Zeit wurden ihre Vorschläge interessanter. Sie übernahmen sich: Die Gespräche waren voller totgeborener Similes.
»Die Felsen sind wie das Mädchen, dem in der Dunkelheit wehgetan wurde, weil …«
»Die Toten sind wie das Mädchen, dem …«
»Junge sind wie das Mädchen, dem in der Dunkelheit wehgetan wurde und das aß …«
Zu guter Letzt sprach plötzlich Spanischer Tänzer. »Wir versuchen, die Dinge zu verändern, und das geschieht seit langer Zeit, und durch unsere Geduld – da wir wissen, dass es enden wird – sindwir wie das Mädchen, das aß, was ihm gegeben wurde«, übersetzten YlSib. »Jene, die nicht versuchen, etwas zu verändern, sind wie das Mädchen, das nicht aß, was sie wollte, sondern das, was ihm gegeben wurde.«
Ich öffnete den Mund. Der große Ariekei beugte sich über mich und blickte mich mehrfach starren Auges an. »O mein Gott, er weiß, was ich zu tun versuche«, sagte ich. »Habt ihr es gehört.«
»Ja.« »Ja.«
»Er hat mich zu zwei verschiedenen, sich widersprechenden Dingen gemacht. Hat beide mit mir verglichen.«
»Ja.« Sie waren vorsichtiger als ich, doch ich lächelte, bis sie nicht anders konnten, als mich ebenfalls anzulächeln.
Wir hörten spät auf, als die Ariekei von so großem Verlangen nach der Stimme der Gott-Droge gepeinigt wurden, dass sie nicht mehr länger arbeiten konnten und sich verwirrt und zitternd zurückzogen. Ich schlief ohne Decke auf dem nur wenig bietenden Boden, bis Yl oder Sib mich wach rüttelte und mir irgendein unzulängliches Frühstück gab. Aufgrund der Lichtdurchlässigkeit der Turmhaut konnte ich erkennen, dass es wieder Tag war. Meine Schüler waren da, und zwar in einer besseren Verfassung: EzCal hatten ihre morgendliche Übertragung gesendet.
YlSib berichteten mir, EzCal hätten entdeckt, dass ich fort war. Sie ließen nach mir suchen. Trupps waren in der Gastgeberstadt. »Du bist nicht mehr länger einfach allein draußen«, sagten sie. »Du bist auf der Flucht.« »Du verbirgst dich.« Sie mussten nicht sagen: Du bist eine von uns.
Den ganzen Tag arbeiteten wir an den unangemessenen Similes der Ariekei. Ich wurde erschöpft und ungeduldig. Als es dunkel wurde, hörte ich das feuchte Öffnen der Tür, und Bren kam herein. Ich ergriff ihn leidenschaftlich, und er küsste mich, doch er hielt mich zurück. Ich brach ab, als ich sah, wer ihm folgte. Er hatte einen der Absurden bei sich.
»Es ist eine Scheißreise gewesen.« Er lachte sehr kurz.
Das Geschöpf war schwach. Bren führte es am Ende eines starren Stachelstocks und hatte ihm Fußschellen angelegt, in denen konstant Strom floss. Ansonsten hätte es ihn leicht überwältigt. Das sprache lose Wesen war durch das konstante Brennen verletzt. Sein Präsentflügel war an ihm festgeschnallt, seine Beine bewegten sich nur humpelnd. Ich hatte gewusst, dass dies der Plan war. Doch ich konnte nicht glauben, dass Bren Erfolg gehabt hatte.
»Mein Gott«, entfuhr es mir, »wie hast du das getan? O Jesus, schau sich das einer an. Das ist schrecklich. Du siehst wie ein Folterknecht aus.«
»Ja, es ist
Weitere Kostenlose Bücher