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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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durchlässig waren. Als die Absurden herankamen, wurden diese kleinen Gemeinden inselartiger und ihre halb festen politischen Strukturen sowie Kulturen unterschiedlicher. Und die Straßen, die sie voneinander trennten, wurden viel schlimmer. Ich war überhaupt nicht sicher.
    Auf den ersten paar Hundert Metern waren Altbrocks gemütlich gegangen. Ich hatte Vogelflügel gehört und war von Insekten umgeben. Nun war ich in den Gebieten der einheimischen Fauna mit wenigstens zwei Bezeichnungen: unserer volkssprachlichen und ihren Markierungen in Sprache . Ich stand vor einem hundegroßen Wesen still, das wir Braungewehr nannten und die Ariekei als kosish  |  rua oder ter  |  sethis bezeichneten, was von einer taxonomischen Unterscheidung abhing, die wir nie verstanden. Es kreuzte meinen Weg in einer Gassenkind-Froschzungen-Gangart. Hoch droben flogen Schrottteile und bio-fabrizierte Maschinen vorbei, die verwildert waren oder Ariekei beförderten.
    Ich konnte durch das Immer navigieren, doch dieses Gelände besiegte mich beinahe. In den Niemandslandgebieten war es gefährlich, und noch gefährlicher war es in den Ortschaften, wo ich nicht nur durch die willkürlichen Zornausbrüche der Hirnlosen bedroht war, sondern auch durch die Grenzwächter. Aufgrund dieses neuen Stammessystems kam es manchmal vor, dass die Bewohner verschiedener Bezirke gegeneinander kämpften. Mehr als einmal musste ich mich hinter einem Haus-Gebein oder Müllhaufen hinhocken und beobachtete dabei solche Gewalttätigkeiten.
    Vor lauter Angst war ich kurzatmig. In der Nähe einer Schutzhülle, wo ich halb das Zwerchfellbrummen dieser Wohngegend hörte, blieb ich schlagartig stehen. Vor mir standen zwei Männer.
    Sie sahen mich und hoben ihre Knarren. Ich konnte ihre Gesichter nicht durch die Gesichtsschutzschirme ihrer Äoli erkennen. Die Anwesenheit von Terre-Gestalten in gerade dieser Umgebung war so unpassend, dass ich einen gefährlichen Moment lang innehielt; doch ich bewegte mich, unmittelbar bevor sie feuerten, und die Kugeln schlugen laut in dem Ventrikel oder der Gasse ein, wo ich gewesen war. Ich rannte los. Ich hörte, wie sie hinter mir herliefen. Ich schob mich unter herabhängenden Dingen hindurch, verlor die Orientierung. Ich biss die Zähne zusammen. Mein Herz schlug wie wild.
    Ich war nicht in Panik; ich konnte noch klar denken. Rasch drehte ich mich um, als ich ein anderes Geräusch hörte. Von einem Eingang aus, der wie Kiemen aussah, griff irgendein Mensch nach mir. Ich stolperte rückwärts, doch er legte einen Finger auf seine Maske, als ob er ein »Schsch« von sich geben würde, und winkte mich zu sich. Ich ging zu ihm, und er zog mich in eine Kammer hinein. Wir setzten uns und lauschten. Ich starrte ihn an, aber er war in keiner Weise eine bemerkenswerte Person. Ich scannte ihn, als ob ich ihn dekodieren würde.
    »Bist du in Ordnung?«, raunte er.
    »Ja.« Ich wollte bereits fragen: Wer bist du? Wer waren sie? , doch er schüttelte den Kopf.
    Er lauschte erneut. »Komm mit mir«, forderte er mich schließlich auf. Wieder versuchte ich zu fragen, wer er war, doch er reagierteimmer noch nicht. Im Grunde genommen schuldete er mir keinerlei Erklärungen, vermutete ich. Schleichend bewegten wir uns vorwärts, und ich ließ mich von ihm führen.
    Am Ende eines langen Umwegs erwarteten mich Yl und Sib. Sie grüßten ihn kurz und bündig. Die drei plauderten vertraut miteinander, allerdings zu leise, als dass ich mithören konnte. Schließlich drehte sich der Mann zu mir um, hob kurz die Hand und verschwand.
    »Sein Name ist Shonas«, sagte Sib. »Einst war er ein Wesir. Seit etwa acht Jahren lebt er in der Gastgeberstadt.« Vorsichtig gingen wir zurück in Richtung meiner ursprünglich vorgesehenen Route.
    »Warum ist er hier?«, erkundigte ich mich. »Und wer hat auf mich geschossen?«
    Ein Türsturz wölbte sich, um uns hineinzulassen.
    »Er kam hierher, nachdem er sich mit einem Botschafter überworfen hatte«, erwiderten YlSib. »Es war ein kleiner Skandal. Er verschwand. Du warst wahrscheinlich im Immer. Im Außen.« »Du würdest dich nicht mehr daran erinnern.« Schön wär’s! »Die anderen zwei waren DalTon.«
    Ich erinnere mich nicht, dass ich darüber verwundert war. Jene ungestümen Dissidenten, von denen ich geglaubt hatte, sie wären tot, getrennt oder in dieser schrecklichen Krankenstation eingesperrt.
    »Sie gingen weg«, fuhren YlSib fort. »Sie wurden verschroben.« »Shonas kam in die Gastgeberstadt, um sie

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