Stadt der Fremden
in Charo-Stadt erzählen.
Kurz bevor ich das erste Mal Botschaftsstadt verließ, hatte mich Papa Renshaw beiseitegenommen, und zwar buchstäblich: Er hatte mich zum Rand des Raums geführt, in dem ich gerade meine Abschiedsparty feierte. Ich hatte väterliche Predigten und zweifelhafte Gerüchte über das Leben im Außen erwartet, doch dann sagte er mir, wenn ich jemals zurückkäme, würde Botschaftsstadt sehr interessiert sein an Informationen über die Lage der Dinge in Bremen. Es war so höflich und sachlich formuliert, dass ich eine Weile brauchte, bis ich verstand, dass ich zum Spionieren aufgefordert worden war. Ich war nur amüsiert, und zwar vollkommen, über diese Unwahrscheinlichkeit. Dann war ich erneut amüsiert – diesmal reumütig –, als ich Tausende von Stunden später nach meiner Rückkehr in Botschaftsstadt begriff, dass ich mich selbst auf genau die Weise nützlich machte, zu der man mich aufgefordert hatte.
Scile und ich wurden zu Gegenständen des Interesses, was auchimmer wir taten: Er, ein intensiver und faszinierter Außenseiter, war eine Kuriosität, ich, ein Bestandteil von Sprache und eine zurückgekehrte Immer-Eintaucherin, eine kleine Berühmtheit. Doch indem ich Fakten über Bremen lieferte, wurden ich, eine gewöhnliche Bürgerin, und mein gewöhnlicher Mann in Kreisen des Botschaftspersonals noch reibungsloser willkommen geheißen, als es ansonsten geschehen wäre. Wir erhielten weiterhin Einladungen, nachdem die wenigen Medien von Botschaftsstadt aufgehört hatten, Interviews mit der verschwenderischen Immer-Eintaucherin und Geschichten über sie zu senden.
Schon bald nach meiner Rückkehr traten sie an mich heran, natürlich keine Botschafter, sondern irgendwelche Wesire und hohe Tiere. Sie erbaten meine Anwesenheit bei einem Treffen, bei dem sie so vage sprachen, dass ich eine Minute lang nicht ihr Anliegen verstand. Plötzlich erinnerte ich mich an Papa Renshaws vermittelnde Worte und verstand, dass die leisen Fragen über einige der Trends in Bremen und bei assoziierten Mächten und mögliche Haltungen gegenüber Kolonien und ihren Erwartungen Bitten um politische Informationen darstellten. Und dass sie mir eine Bezahlung anboten.
Letzteres schien dumm zu sein. Ich nahm kein Geld dafür, ihnen das wenige zu erzählen, das ich sagen konnte. Mit einem Wink brachte ich jemanden zum Schweigen, der diplomatisch ihre politischen Befürchtungen erklärte: Es war ohne Bedeutung. Ich zeigte ihnen Nachrichtenleitungen und Downloads und gab ihnen vielleicht ein kleines Gespür für die Machtbalance in Bremens herrschender Kosmopolitischen Demokratischen Partei. Bremens Kriege, Interventionen und Notfälle hatten mich nie in ihren Bann gezogen; doch das, was ich dem Botschaftspersonal erzählte, mochte vielleicht denjenigen, deren Aufmerksamkeit stärker auf diese Themen konzentriert war, Einsichten in jüngste Wechselfälle geben. Ich bezweifle ehrlich, dass irgendetwas von dem, was ich sagte, Material war, welches ihre künstlichen Bewusstseine und Analysten nicht vorhergesagt oder geraten hätten.
Es war kaum ein großes Spionagedrama. Ein paar Tage später wurde ich Wyatt vorgestellt, damals Bremens neuer Mann in Botschaftsstadt, den meine Gesprächspartner vom Botschaftspersonal mir gegenüber in versteckt warnender Weise bereits erwähnt hatten. Er machte sich sofort wegen des früheren Treffens über mich lustig. Er fragte mich, ob ich eine Kamera in seinem Schlafzimmer hätte oder etwas Ähnliches. Ich lachte. Ich mochte es, wenn sich unsere Wege kreuzten. Er gab mir eine private Nummer.
Es geschah in Kreisen wie diesen, in der feinen Gesellschaft von Botschaftsstadt, dass ich Botschafter CalVin begegnete und ihre Geliebte wurde. Eine der Sachen, die sie für mich taten, war, Scile die Gelegenheit zu geben, die Gastgeber zu treffen.
CalVin waren große, grauhäutige Männer, ein wenig älter als ich, mit einer gewissen Verspieltheit und der bezaubernden Arroganz der besten Botschafter. Sie luden mich und, auf meine Bitte hin, Scile zu Feierlichkeiten ein und besuchten ihrerseits mit uns die Stadt, wo ein Botschafter, der ohne Gefolge durch die Straßen spazierte, ungewöhnlich genug war, um Aufmerksamkeit zu erregen.
»Botschafter …« Scile brachte den Mut auf, sie zu fragen, zunächst jedoch vorsichtig. »Ich habe eine Frage über Ihren … Austausch mit den Gastgebern.« Und dann ging er zu einer minutiös konkreten, undurchsichtigen Nachforschung über. CalVin, die zu
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