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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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und Spektakel. Am freien Tag am Ende eines jeden unserer langen Monate waren unsere krummen Gassen mit Bändern durchwoben und voller Musik. Kinder tanzten in Trid-Kostümen, ihre kristallinen Lichthäute überlagerten sich. Es gab Partys.Einige waren formell, viele jedoch nicht; bei manchen trug man Kostüme, bei einigen wenigen zeigte man sich unverhüllt.
    Die Flauten-Kultur war Teil unserer Ökonomie. Nach einem Besuch hatten wir Luxusartikel und neue Technologien, um unsere Märkte und unsere Produktion zu stärken. Wenn ein Besuch anstand, gab es Unmengen von Ausgaben und Innovationen, aus Begeisterung und in dem Wissen, dass sich das Angebot bald ändern würde und dass die Waren der neuen Saison teuer und nach neuster Mode sein würden. Dazwischen, in den Flauten, war alles statisch – nicht verzweifelt, sondern erschöpft. Die Partys waren Interpunktionen und bedeuteten kleine Perioden für bestimmte Genüsse.
    Eines Nachts war ich mit CalVin im Bett. Einer von ihnen schlief. Der andere streichelte meine Seite und unterhielt sich flüsternd mit mir. Es geschah selten, dass ich nur mit einem Doppel zusammen war. Ich verspürte ein starkes Bedürfnis, ihn nach seinem Namen zu fragen. Jetzt glaube ich, dass ich weiß, welcher von beiden es war. Ich fuhr mit meinem Finger über seinen Nacken und das Verbindungselement in ihm, das wunderschön in die Kuhle unterhalb des Hinterhauptbeins des Schädels eingesetzt worden war. Ich blickte auf seinen Zwilling, auf die schlafende Hälfte des Botschafters.
    »Sollte ich wegen Scile besorgt sein?«, fragte ich.
    Der Schlafende wechselte seine Lage, und wir waren eine Sekunde lang still.
    »Das glaube ich nicht«, raunte mein Gefährte. »Er ist irgendeiner Sache auf der Spur, weißt du.«
    Ich verstand ihn nicht. »Ich bin nicht besorgt, dass er sich irrt«, erwiderte ich. »Ich bin besorgt, dass er … dass …«
    »Aber er irrt sich nicht. Oder zumindest … weist er auf etwas hin.«
    Ich setzte mich auf. »Willst du damit sagen …?« Ich stand auf und schritt auf und ab.
    Der schlafende Doppel erwachte und schaute mich sanft an. Cal und Vin beratschlagten sich flüsternd. Es klang nicht so, als hätten sie dieselbe Meinung.
    »Es gibt einige überzeugende Punkte an dem, was er sagt.« Es war der gerade erwachte Doppel, der nun redete.
    »Ich kann nicht glauben, dass du mir erzählst …«
    »Tu ich nicht. Ich erzähle dir gar nichts.« Er sprach teilnahmslos. Sein Doppel schaute auf ihn und dann unbehaglich auf mich. »Du hast uns gebeten, über ihn zu wachen, und das tun wir und haben wir getan. Und wir untersuchen einige der Dinge, die er sagt. Scile mag zwar ein Exzentriker sein, doch er ist nicht dumm; und es steht außer Frage, dass dieser Gastgeber …« Er blickte auf seinen Doppel, und gemeinsam sprachen sie: » surl  |  tesh-echer .« Die Hälfte von CalVin, die geredet hatte, fuhr nun fort: »… definitiv irgendeine seltsame Strategie verfolgt.«
    Ich stand nackt am Rande des Bettes und beobachtete sie: Der eine lag auf dem Rücken und schaute zu mir hoch, der andere hatte die Knie angezogen.
    Ich gestehe meine Niederlage ein. Ich habe versucht, den Ereignissen eine Struktur zu verleihen. Aber ich weiß einfach nicht, wie alles passierte. Vielleicht, weil ich nicht richtig Acht gegeben habe, vielleicht weil es keine Erzählung gewesen ist. Doch aus welchen Gründen auch immer – es will nicht das sein, was ich daraus machen will.
    In den Straßen von Botschaftsstadt formte sich eine Gemeinde. Valdik schien in ihrem Zentrum zu stehen. Es war Valdik, der nun die Theorien darlegte. Mein Gatte war ein schlauer Mann, selbst in seinen Obsessionen.
    »Valdik Druman steckt jetzt dahinter?«, fragten CalVin. »Valdik? Wirklich?«
    »Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich …«, erwiderte ich.
    »Nun, er ist ein Erwachsener. Er trifft seine eigenen Entscheidungen.«
    »Das ist nicht so einfach.« Ich wusste, dass CalVin im Recht und zugleich im Irrtum waren.
    Die meisten Botschaftsstädter kannten nicht eine jener Debatten, oder sie sorgten sich nicht darum. Von denen, die es taten, hielten die meisten das Thema für ziemlich unwichtig. Die Leute fühlten sich sicher – und es lag eine Sicherheit darin! – in der Gewissheit,dass Gastgeber nicht lügen konnten, was auch immer ein paar aufgeregte Similes beharrlich behaupteten. Für diejenigen, die von den Festen wussten, stellten ein paar Gastgeber, die entschlossen waren, die Grenzen von Sprache zu verschieben,

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