Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
Keine Kirche. Aber …« Ich hatte mehr Fetzen von Sciles entstehender Theologie gesammelt. Ich nannte es so, doch obwohl er unerschütterlich war, hatte es nichts mit Gott zu tun. »Er will die Ariekei schützen. Vor der Veränderung der Sprache.« Ich erzählte CalVin von der Versuchung, davon, was, wie Scile glaubte, surl  |  tesh-echer planen würde. »Er denkt, dass eine Menge auf dem Spiel steht«, betonte ich.
    Ich liebe diesen Mann immer noch, und ich habe Angst vor dem, was geschieht , offenbarte ich. Könnt ihr mir helfen? Ich verstehe nicht, warum er tut, was er tut, was ihm Angst macht, wie er dazu fähig ist, dass sogar ich Angst bekomme. Etwas in dieser Art.
    »Lass mich mit ihm reden«, erwiderte Cal oder Vin. Der eine, der nicht gesprochen hatte, schaute mit hochgezogenen Augenbrauen auf sein Doppel, dann lächelte er und sah wieder auf mich.

Einstmals, 8
    Wie sie es mir versprochen hatten, verbrachten CalVin einige Zeit mit Scile. Die Forschung meines Mannes war intensiv und ungesellig. Seine Memos an sich selbst befanden sich überall und waren meistens unverständlich, seine Dateien über unseren ganzen Datspace verstreut. Die Wahrheit ist, dass ich ein wenig verängstigt war. Ich wusste nicht, wie ich auf das reagieren sollte, was ich jetzt in Scile sah. Die Leidenschaft war stets da gewesen, doch obwohl er versuchte, es zu verstecken – nach diesem einen Gespräch redete er nicht mehr mit mir über seine Ängste –, konnte ich sehen, dass sie stärker wurde.
    Dass er versucht hatte zu verbergen, was ihn umtrieb, verwirrte mich. Ich fragte mich, ob er glaubte, dass seine Befürchtungen wegen der veränderten Herangehensweise einiger Gastgeber die einzigen angemessenen waren und das Fehlen solcher Ängste beim Rest von uns sich verheerend auswirkte. Und ob er glaubte, die ganze Welt wäre verrückt und zwänge ihn zur Heuchelei. Ich ging seine aufgezeichneten Thesen durch, seine Terminkalender und Fachbuchkommentare, zu denen ich mir Zugriff verschaffen konnte – als ob ich nach einem Schlüssel für seine Gedanken suchte. Das verschaffte mir ein besseres Verständnis von seinen Theorien, wenn auch immer noch ein unvollständiges und konfuses.
    »Was denkt ihr?«, fragte ich CalVin. Sie schauten verstimmt drein wegen meines untypischen Bittens. Sie sagten mir, dass Scile zweifellos in einer ungewöhnlichen Weise auf Dinge blickte und dass seine Fokussierung, ja, ziemlich heftig war. Aber insgesamt bestünde kein Anlass, um sich Sorgen zu machen. Was für eine nutzlose Aufforderung.
    Zu meiner Überraschung begann Scile, mit mir in die Krawatte zu gehen. Ich hatte gedacht, wir würden weniger Zeit miteinander verbringen und nicht mehr. Ich erzählte ihm nicht, dass ich wusste, dass er früher schon allein hier gewesen war. Er versuchte nicht länger, die Gastgeber auf sich aufmerksam zu machen. Stattdessen übte er einen subtilen Einfluss auf einige der anderen Similes aus. Er nahm an den Diskussionen teil und deutete gewisse Theorien von ihm an, vor allem jene, gemäß denen Similes den Gipfel und die Höchstgrenze von Sprache repräsentierten: Kommunikation, die Wahrheit macht. Ich war ein wenig überrascht darüber, dass keiner ihm anders als freundlich begegnete – er war immerhin kein Simile und somit ein Außenseiter. Tatsächlich geschah das Gegenteil von dem, was ich erwartet hatte. Valdik war nicht der Einzige, der ihm zuhörte. Valdik war kein intelligenter Mann, und ich machte mir Sorgen um ihn.
    Ich darf nicht übertreiben. Ich glaube, Scile war im Großen und Ganzen nicht anders als früher, ein wenig konzentrierter vielleicht, ein wenig in sich gekehrt. Ich glaubte nicht mehr daran, dass wir zusammenbleiben würden, doch ich wollte mich vergewissern, dass er in Ordnung war.
    Ansonsten waren es keine schlechten Zeiten für mich. Es war die Zeit zwischen den Ablösungen. Wie stets zur Mitte dieser Zyklen hin war Botschaftsstadt am meisten bei sich selbst: Weder verharrte die Stadt in Erwartung dessen, was von Außen kommen würde, noch feierte sie, was gekommen war. Wir nannten diese Zeiten die Flauten. Natürlich kannten wir den konventionelleren Gebrauch dieses Begriffs, doch wie ein paar andere unheimliche Wörter besaß es für uns seine eigentliche und eine entgegengesetzte Bedeutung. Während jener ruhigen, eintönigen Tage, wenn wir abgeschnitten am Rande des Immer lagen, ohne Kontakt und lange nach oder vor irgendwelchen Flapos, gingen wir in uns.
    Es gab Festlichkeiten

Weitere Kostenlose Bücher