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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Hier waren Lügen, die ein komisches Zwischenspiel darstellten, hier eine Zunahme der Spannung, hier ein bewegendes Moment.
    Als sie nach langen, berauschenden Minuten fertig waren, traten die Gastgeber an. Jeder Ariekei sprach nur eine oder zwei kurze Lügen. Die meisten taten dies durch verbale Tricksereien, wie beispielsweise durch einen geflüsterten abschließenden Satzteil. Jeder Erfolg war durch Terre-Jubel und ariekenischen Beifall gekennzeichnet. Viele Wettbewerbsteilnehmer stammelten und sagten etwas Wahres. Das Publikum der Gastgeber reagierte darauf mit Äußerungen, die als Hohn oder als Mitleid gedeutet werden konnten.
    Ich stehe, ich stehe nicht.
    Dies hier vor mir ist nicht rot.
    surl  |  tesh-echer trat als Letzter vor, im Rahmen einer geplanten Konfrontation. Ihm gegenüber befand sich eine Botschafterin – LuCy –, die sich wie Boxer bewegten und ihre Arme schwangen, als ob sie sie auflockern würden. Ich spürte, dass ich überrascht war, denn als ich von diesem Wettkampf gelesen hatte, war ich der Ansicht gewesen, es wären CalVin, die Botschaftsstadt vertreten würden. Botschafterin und Gastgeber strafften sich. Das ganze Schauspiel kam mir vor wie eine Blasphemie. Wer konnte das erlaubt haben? Es gab Jubel,doch ich hörte einen Mann neben mir murmeln: »Das ist nicht richtig«, als ob er meine Meinung auffangen würde.
    Bevor die Menschen kamen, redeten wir nicht so viel über bestimmte Dinge , sagte surl  |  tesh-echer .
    Der Zeremonienmeister erklärte laut, gemäß welchen Regeln Gleichstand herrschte.
    Bevor die Menschen kamen, redeten wir nicht so viel über bestimmte Dinge , sagte surl  |  tesh-echer erneut und löste seine Flügel aus ihren Schalen. Welche fremdartigen Gefühle er auch immer empfand, für uns sah es nach einer großspurigen Herausforderung aus. Die zwei Botschafter-Frauen und das große, verschachtelt wirkende Ariekei-Untier starrten einander an. Die Botschafterin öffnete ihre Münder. Doch bevor sie redeten, erklärte surl  |  tesh-echer : Bevor die Menschen kamen, redeten wir nicht so viel.
    Unruhe. Bevor die Menschen kamen , fuhr der Gastgeber fort – und ich wusste, was die Lüge sein würde –, redeten wir nicht.
    Er sagte es klar und deutlich. Ein Moment der Stille, und dann stotterten die Ariekei in ihrer Verzückung, während sie das Gesagte in sich aufnahmen. Selbst die Terre wussten, dass wir etwas Außergewöhnliches gehört hatten. Überall war Lärm. Einige führten laut Streitgespräche. Ich sah Gedränge in der Menge.
    »Nicht wahr!«, rief jemand. »Nicht wahr!«
    Männer und Frauen wurden plötzlich in gewaltsamer Weise von jemandem aus dem Weg gedrängt. Sie schrien und liefen auseinander. Ich konnte den Mann kommen sehen – es war Valdik.
    »Nicht wahr!«, schrie er. Er rannte und brüllte und schlug mit einem Knüppel auf den Boden. Ich spürte einen Widerhall, da war Energie in dieser Waffe. So viel zur Sicherheit, dachte ich. Er trat auf surl  |  tesh-echer zu. Valdik schrie, es sei nicht wahr. Er hob seine Waffe. Augen-Korallen verrenkten sich. Leute rannten auf uns zu. Valdik brüllte: »Verfluchte Schlange!« surl  |  tesh-echer beobachtete ihn, seine Korallen spreizten sich so weit wie Hörner. Ich hörte das Bellen einer Waffe, und Valdik strauchelte; sein Knüppel versengte den Boden. Polizisten ergriffen ihn. Er wurde niedergerungen.
    »Er ist auf einen Gastgeber losgegangen?«, keuchten die Leute.
    Ich konnte hören, wie Valdik immer noch rief: »Der Teufel! Er wird uns, verflucht noch mal, zerstören! Lasst ihn nicht lügen!«
    Keiner der Ariekei gab einen Laut von sich. Die Beamten zogen Valdik schließlich in eine aufrechte Position; seine Kleidung war zerfetzt, er selbst blutverschmiert und schwerlich noch bei Bewusstsein. Sie zerrten ihn von der Anlage fort; seine Füße schrammten über den Boden. Dutzende von Sekunden waren seit dem Angriff vergangen. Ich glaube, ich war die einzige Person in dem großen Raum, die CalVin und ihre schweigenden Kollegen beobachtete, und eine der sehr wenigen, die nicht auf den übel zugerichteten Möchtegernattentäter starrten und zusahen, wie er fortgebracht wurde.
    Ich erblickte Scile. Er war bei ihnen, unter den Botschaftern und dem Personal. Das war es; das war es, wohin man blicken sollte. Sie schauten nicht auf Valdik, sondern auf surl  |  tesh-echer und hinter ihm auf Birnbaum und seine Gruppe von Ariekei. Ich war eine der sehr wenigen in diesem großen Raum, die sahen, was

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