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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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strich und eine Falte der verschobenen Halskrause geradezupfte, so, wie man ein schlummerndes Kind liebend umsorgt. Ein leises Zittern ging durch den Körper des Ruhenden. Chartier träumte, er liege auf einer weiten, blumigen Wiese und es werde vernehmbar ein süßer Chor der Blüten und singe ihm das Schlummerlied seiner geliebten, unvergessenen Mutter. Weiter träumte er, daß sich ihm ein Falter nahe, mit herrlicher Zeichnung und Farben der Flügel, ihn umgaukle, sein Haupt umtanze und sich schließlich auf seine Lippen setze, um ihn, das Menschenkind, zu küssen, auf daß er schlafe mit dem Lächeln der Wonne. Und die Sonne verdoppelte ihren Strahlenglanz, Feuerregen rieselte aus dem lichten Blau des Himmels – doch er verbrannte ihn nicht, nein, kühlend fielen die goldenen Tropfen auf ihn, und mit weit ausgebreiteten Armen lag er auf dem Blumenteppich und trank selig den Regen der Sphäre.
    Ein Teil des Traums – der Kuß – wurde Wirklichkeit. Margarete von Schottland beugte sich zu dem Schlafenden hinab und legte auf dessen Lippen die ihren. Ganz zart und leise tat sie das, und trotzdem unendlich innig.
    Rom brannte – nach Nero – ein zweites Mal. So empfand jedenfalls in diesem Augenblick die Schar der Höflinge, deren Reihen wankten. Atem zu schöpfen, war sekundenlang keinem möglich.
    Im Schlaf lächelte der Dichter nach diesem Kuß, träumte er doch, der Falter trage ihn hinauf zur Sonne, und er, Chartier, fühle die Wärme ihrer Strahlen auf seinen Lippen. Glücklich war er, ach so grenzenlos glücklich …
    Vorsichtig richtete sich die Dauphine auf, trat in den starren, maskenhaften Kreis zurück und bedeutete allen, sich, gleich ihr, auf Zehenspitzen zu entfernen. Bald war der ganze Zug aus Seide, Brokat und Perücken zwischen den Taxushecken verschwunden. Das Ende der Prozession bildeten wieder der Comte de Buron und der Polizeipräfekt, die sich zurückfallen ließen, um ungestört miteinander sprechen zu können.
    Der Präfekt grinste gemein, rieb sich die Hände und sagte: »Das ist ihr Ende.«
    »Noch heute geht ein Bote ab nach Lyon«, erklärte der Comte mit dem gleichen Grinsen.
    Dann war der Platz leer, nur die Trauerweide rauschte leise, und vom See herüber klang das Flügelschlagen munterer Schwäne. Nicht recht viel später ergab sich ein ganz profaner Anlaß, der dem Schlaf des Dichters ein Ende setzte. Ameisen hatten den Weg zum Gesicht Chartiers gefunden und krochen ihm über Mund, Nase und Augenlider. Das weckte ihn.
    Umgeben von sommerlicher Pracht, fand er sich erstaunt auf einer weißen Bank unter den wispernden Zweigen der Weide. Dann wußte er wieder, wo er sich befand. Tief holte er Atem, blickte um sich und genoß die Fülle der Schönheit unserer Welt. Und schließlich zog er aus seiner Tasche ein Blatt Pergament sowie ein verschließbares Büchschen mit Tinte und Federkiel hervor und schrieb, vor der Bank kniend und auf deren Planken das Pergament glättend, den Jubel des Lebens wie ein Gebet seiner Seele nieder.
    Als er das Gedicht wie im Rausch fertiggestellt hatte, stürzte er aus dem blühenden Park, um das Werk seiner Liebsten zu zeigen, einer kleinen Brokatstickerin in Neuilly, die den großen Chartier vor dem Verhungern bewahrte.

II
    Oh, wer beschreibt die Aufregung, die sich der ganzen Nation bemächtigte? Wer teilt die Empörung der hochgeborenen Herren und Damen Frankreichs? Auf der anderen Seite – wer heißt gut die Freude des niederen Volkes, das einen der Ärmsten aus seiner Mitte von der Dauphine geküßt sah?
    Ein Riß ging durch Frankreich.
    Wer sich darum überhaupt nicht kümmerte, war Margarete von Schottland. Ihre Widersacher interessierten sie nicht, aber auch nicht ihre Befürworter. Sie stand gewissermaßen absolut über den Dingen.
    Sie lachte in die gepuderten Gesichter der glatten Höflinge, wenn diese, bei ihrem Getuschel ertappt, mit hochroten Köpfen auseinanderfuhren.
    Sie biederte sich aber auch nicht an, wenn ihr – offene oder versteckte – Zeichen der Anhängerschaft gegeben wurden.
    Gefährlich hätte werden können, was ihr erbittertster Feind unternahm.
    »Das ist ihr Ende«, hatte er schon im Bois gesagt.
    Und dann nützte er die erste Gelegenheit, um sich zum Dauphin zu begeben und ihm die unmögliche, jede Weltordnung umstürzende Begebenheit in allen Details auf diplomatische, das Vertrauen zwischen den Ehegatten zerstörende Weise zu unterbreiten.
    Durch die prunkvollen Korridore des Schlosses schritt er in voller Würde

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