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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hoheit.«
    »Wohin? Auf die Stirn?«
    Der Präfekt schöpfte neue Hoffnung, es der Dauphine einzutränken.
    »Keineswegs, Sire – auf den Mund!«
    Die Hoffnung zerschlug sich jedoch rasch.
    »Auf den Mund?« wunderte sich der Dauphin höchlichst. »Und davon wurde der Mann immer noch nicht wach?«
    »Nein, Sire.«
    »Dann kann es aber kein toller Kuß gewesen sein.«
    »Sire, ich …«
    »Was? Was wollt Ihr sagen?«
    »Ich verstehe Euch nicht.«
    »Was versteht Ihr nicht? Daß ein solcher Kuß, von dem ein schlafender Mann nicht wach wird, nicht besonders toll sein kann? Das versteht Ihr nicht?«
    Der Präfekt verstummte, es fiel ihm nichts mehr ein. Um so heißer brannte der Haß in ihm, der Haß auf die Dauphine, aber auch auf den Dauphin, der sich zu keinem Instrument höfischer Intrige machen ließ.
    »Mit nicht mehr zu steigernder Innigkeit hat die Dauphine den geküßt, habt Ihr mir gesagt«, fuhr der Dauphin fort.
    Der Präfekt rang um Worte, die ihm versagt blieben. Endlich krächzte er: »Sire, ich wollte damit sagen –«
    »Ich weiß, was Ihr damit sagen wolltet«, unterbrach ihn der Dauphin. »Der Stempel, den Ihr diesem Kuß aufdrücken wolltet, ist mir klar.«
    »Nein, Sire, Ihr täuscht Euch«, warf der Präfekt das Steuer herum. Es war zu spät.
    »Wißt Ihr, was ich glaube?« fragte der Dauphin grollend den kleinen, kugeligen Dickwanst, dessen Mundgeruch den aller anderen bei Hofe übertraf.
    »Nein, Sire.«
    »Daß Paris wohl bald einen anderen Polizeipräfekten braucht.«
    »Sire, ich –«
    »Hinaus!«
    Nachdem der Präfekt, der um seine Macht bangen mußte, der deshalb schwitzte, obwohl ihn der eisige Hauch allerhöchster Ungnade umweht hatte und ihn eigentlich hätte abkühlen müssen, nachdem er also verschwunden war, mehr kriechend als gehend, läutete der Dauphin seinem Sekretär und ließ diesen einen Brief an Chartier aufsetzen, in dem der Dichter zum nächsten Hofball im Schloß geladen wurde. Zum Schluß versah der Dauphin den Text eigenhändig mit einem Nachsatz:
    »Mon cher ami, ich liebe Dichter, die von Königsküssen träumen, denn maßlos ist die Kunst allein im Unterbewußten. Man soll die Sonne loben, ohne Drang, sie zu besitzen.«
    Eigenhändig siegelte der Dauphin auch den Brief und ließ ihn durch einen reitenden Boten zum Marquis de Bréguérac, dem Kommandeur der Garde, bringen, zu dessen Aufgabenbereich auch die Zustellung diskreter Adressen gehörte. Dann trat der Dauphin durch die zierliche Tapetentür ins Boudoir der zärtlichen Dauphine.
    Goldene, in Leder gepreßte Blattranken schmückten diese Tür. Und auf Zehenspitzen, als nähere er sich einer anbetungswürdigen Kostbarkeit, näherte sich Ludwig, Dauphin von Frankreich. Falls ihn des Lesers romantische Gedanken dabei begleiten, wird auch das Bild, das ihn erwartet, seiner Fantasie entsprechen: Eine junge Dauphine, strahlend schön. Gerade erhebt sie sich aus dem Sessel am Fenster, durch das die Baumwipfel des Gartens grüßen. Ein Lächeln trägt sie in dem ovalen, klaren und von dunklem Haar umrahmten Gesicht. Und ihre Augen füllen sich mit Zärtlichkeit. Da nimmt Ludwig ihre Hand, als berühre er ein zerbrechliches Kleinod, führt sie an die Lippen und haucht einen Kuß darauf.
    So gut, so schön. Doch was wissen wir gewöhnlichen Sterblichen davon, wie's in den Schlafzimmern und in den Herzen von Thronfolgern aussieht? Wenig. Weniger als wenig. Beinahe nichts. – So ist es heute. So war es damals.
    Die Gerüchte und Spekulationen um das Thronfolger-Paar wollten nie verstummen. Die Beziehung, die beide verband, gab ganz Frankreich Rätsel auf.
    Vielleicht ist es daher angebracht, die Tatsachen ein wenig zu ordnen, damit hinter den verschlungenen Wegen der königlichen Macht die Wahrheit durchschimmern kann.
    Eine Liebesheirat war es bei Gott nicht gewesen, die damals vor neun Jahren die beiden verband. In der Nähe der Krone werden Gefühle zum unerlaubten Luxus. Vermessen geradezu, auf sie zu hoffen.
    Gerade dreizehn war Ludwig und elf das Kind aus Schottland. Dachte Margaret zurück, sah sie kaltfeuchte, mächtige Quaderwände, Edinburg, Perth. – Nicht Schlösser waren es, nein, es waren Festungen, in denen sie aufwuchs, umgeben von Rittern und Soldaten, Verwandten und Gefolgsleuten der Stewarts. Tat Ludwig das gleiche, sah er seinen Vater blaß und gequält, weil die Engländer noch immer den Norden Frankreichs hielten. Nach dem alten Prinzip, daß die Feinde meiner Feinde meine Freunde sind, kam diese

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