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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zum Kabinett Ludwigs, ließ sich unter genau bemessenen Zeremonien melden, trat in den gewölbten weiten Raum und dienerte sich leise keuchend bis zu dem imposanten, aus kostbaren Hölzern angefertigten Schreibtisch vor, hinter dem mit übereinandergeschlagenen, seidenbestrumpften Beinen der Dauphin in seinem Sessel thronte und von der Überlegung geplagt wurde, was er tun könne, um sich wieder einmal vor dem palastbekannten Mundgeruch des Mannes, der sich ihm da näherte, zu schützen. Mundgeruch hatten damals zwar alle, auch der Dauphine und die Dauphine, da Zähneputzen in jener Zeit noch unbekannt war, aber der Polizeipräfekt marschierte mit dem Odeur, der sich verbreitete, wenn er die Lippen öffnete, weit an der Spitze aller. Die Wirkung reichte sogar über den gewiß nicht kleinen Schreibtisch eines kommenden Königs von Frankreich hinweg.
    »Ihr erscheint als der Präfekt von Paris?« fragte der Dauphin, ehe der keuchende Fettwanst noch die Augen von der letzten Verbeugung erhoben hatte.
    Beim Klang der herrscherlichen, etwas spöttischen, doch männlich dunklen Stimme war es dem Präfekten stets, als zöge in der Ferne ein Gewitter heran. So wagte er auch jetzt nur einen schnellen Blick in die großen, blauen Augen Ludwigs, bevor er antwortete: »Ich hätte es lieber nicht getan, Königliche Hoheit.«
    Immer dasselbe, dachte der Dauphin. Was redet der Kerl nun schon wieder für einen Blödsinn …
    »Was hättet Ihr lieber nicht getan?« fragte er.
    »Bei Euch zu erscheinen, Sire.«
    »Und warum das nicht?«
    Wärst du doch dann weggeblieben, du Idiot, dachte der Dauphin.
    »Weil die Angelegenheit«, entgegnete sich aufrichtend der Präfekt, »der Gegenstand meines untertänigsten Vortrags, die Angelegenheit, ja …«
    Großer Gott, dachte der Dauphin. Die erste Welle des untertänigsten Mundgeruchs hatte ihn erreicht.
    »… sehr delikat ist«, ergänzte der Präfekt.
    Delikat nenne ich weiß Gott etwas anderes, sagte sich der Dauphin, der im Moment nur einzig und allein an diesen Mundgeruch denken konnte.
    »Ganz außerordentlich delikat ist«, bekräftigte der Präfekt.
    »Inwiefern?«
    »Die Sache betrifft Ihre Königliche Hoheit.«
    »Mich?«
    Der Präfekt schüttelte den Kopf.
    »Nein, denn dann hätte ich Eure Königliche Hoheit gesagt.«
    Stimmt ja, dachte der Dauphin, der in seiner Konzentrationsfähigkeit durch den schubweisen Mundgeruch des Präfekten beeinträchtigt war, und erwiderte: »Ihr meint also die Dauphine?«
    Der Präfekt nickte.
    »Und?« stieß der Dauphin kurz hervor, wahrscheinlich, um das Ganze möglichst kurz zu gestalten.
    »Darf ich«, sagte der Präfekt, »etwas ausholen, Königli …«
    »Nein!« rief der Dauphin spontan. »Ihr wißt, wie knapp bemessen jede Audienz sein muß, die ich Euch gewähre. Das hat seinen Grund. Meine Zeit ist begrenzt, also los!«
    Der Präfekt räusperte sich.
    »Euch ist bekannt, Sire, daß Ihre Königliche Hoheit den Wunsch hatte, den Bois de Boulogne aufzu …«
    Noch einmal mußte sich der Präfekt räuspern.
    »… aufzusuchen, Sire.«
    »Ganz recht, das ist mir bekannt.«
    »Ich ließ den Bois vorher rasch absperren …«
    »Das kann ich mir denken.«
    »… da ich ja für die Sicherheit Ihrer Königlichen Hoheit verantwortlich bin.«
    »War sie begeistert davon?«
    »Offengestanden, nein, Sire.«
    »Das überrascht mich nicht. Die Maßnahme der Absperrung war aber richtig von Euch.«
    Der Präfekt räusperte sich abermals, ehe er fortfuhr: »Trotzdem …«
    »Was trotzdem?«
    »Trotzdem gelang es einem niederen Subjekt, sich im Bois zur fraglichen Zeit aufzuhalten.«
    »Das gelang einem niederen Subjekt?« spottete der Dauphin. »Hat man so etwas schon erlebt?«
    »Für den verantwortlichen Offizier muß ich mir die angemessene Bestrafung noch ausdenken, Sire.«
    Die Erregung, mit welcher der Präfekt zu kämpfen hatte, veranlaßte ihn zu verstärkter, rascher Atemtätigkeit, und das wiederum erinnerte den Dauphin ein weiteres Mal ganz plötzlich und intensiv daran, wie knapp gemessen seine Zeit für Audienzen war.
    »Ich zähle jetzt bis drei«, sagte er zum Präfekten. »Wenn ich dann nicht weiß, was Ihr eigentlich hier wollt, lasse ich Euch hinauswerfen …«
    »Sire, ich …«
    »Eins …«
    »Ihre Königliche Hoheit hat … hat …«
    »Zwei …«
    »… jenes Subjekt …«
    »Drei …«
    »… geküßt!«
    Stille. Dann sagte der Dauphin: »Was hat sie?«
    »Sie hat jenes Subjekt geküßt, Sire.«
    Der Dauphin sprang auf.

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