Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
»Geküßt?« rief er.
    »Geküßt, Sire.«
    Der Präfekt glaubte sein Spiel schon gewonnen und stieß nach: »Mit nicht mehr zu steigernder Innigkeit, Sire. Ich sage nicht zuviel.«
    Und in der Tat, der Dauphin schien außer sich. Seine Augen flammten, sein Gesicht war rot angelaufen. Er fing an zu brüllen: »Wer war der Kerl? Ihr habt ihn doch sicher sofort arretiert?«
    »Nein, Sire«, antwortete der Präfekt und fuhr, als die Hand des Dauphins nach der Reitgerte zuckte, die immer auf seinem Schreibtisch lag, rasch fort: »Das hätte Ihre Königliche Hoheit ganz bestimmt untersagt.«
    Die Reitgerte blieb, züchtigungsbereit, halb erhoben.
    »Ihr habt also das Subjekt entweichen lassen?«
    »Er ist uns absolut sicher, Königliche Hoheit. Innerhalb kürzester Zeit können wir ihn haben – ohne Wissen der Dauphine. Er ist uns bekannt.«
    »Wer ist es? Ein Graf? Ein Herzog? Ein …«, der Dauphin schluckte »… junger Offizier?«
    Ein junger Offizier, das wäre das Schlimmste gewesen.
    »Ihr habt zwar«, fuhr der Dauphin fort, ehe der Präfekt antworten konnte, »von einem niederen Subjekt gesprochen – aber das ist doch wohl nicht möglich?«
    »Doch, Sire.«
    Nach diesem Schlag setzte sich der Dauphin erst mal wieder hin. Daß sich die Dauphine, seine Frau, die er ja liebte, so sehr hatte vergessen können, daß sie so tief hatte sinken können, keinen Grafen, keinen Herzog, keinen … jungen Offizier zu küssen, sondern einen Niemand aus dem gemeinen Volk, das erschien ihm unerträglich. Fassungslos fragte er sich: Wie war das möglich?
    Und dann erkannte er, wie das möglich war.
    »War er denn so schön?« fragte er den Präfekten.
    »Schön?«
    »Ja.«
    »Keineswegs, Sire, ganz im Gegenteil.«
    Der Dauphin fiel von einer Überraschung in die andere. »Er war nicht schön?«
    »Absolut nicht.«
    »Aber er muß doch einigermaßen ausgesehen haben?«
    »Die Vogelscheuchen auf Frankreichs Feldern sehen besser aus, Sire.«
    Nun begriff der Dauphin die Welt nicht mehr, jetzt war ein Augenschein notwendig geworden.
    »Faßt den Kerl! Bringt ihn mir her!« rief der Gehörnte. »Wie heißt er?«
    »Chartier.«
    »Chartier heißen viele. Wie noch?«
    »Alain Chartier.«
    Eine seltsame Wandlung ging mit dem Dauphin vor sich. Schien er sich plötzlich wieder etwas beruhigen zu wollen? Unverkennbare Anzeichen deuteten darauf hin. Aus einem goldenen Döschen nahm er eine Pastille und schob sich das duftende Kügelchen in den Mund.
    »Alain Chartier?« fragte er, die Pastille im Mund hin und her rollend.
    »Ja, Königliche Hoheit.«
    »Der Dichter?«
    Der Präfekt spürte den Stimmungsumschwung und versuchte ihn zu verhindern.
    »Ja, dieser lungenkranke Mensch«, sagte er verächtlich.
    Verächtlicher noch war aber der Blick des Dauphins, der ihn nun traf. Und dazu paßte das Gewitter, das unverzüglich einsetzte.
    »Ihr hättet ihn auch küssen sollen!«
    »Ich, Sire?«
    »Ja, aber seine Füße!«
    »Seine … Füße?« stammelte der Präfekt in völliger Verwirrung.
    »So groß ist der Unterschied zwischen Euch und ihm!« ließ der Dauphin den Blitz einschlagen.
    »Sire …«
    Mehr brachte der Präfekt nicht mehr hervor. Stumm musterte ihn der Dauphin. Soll ich ihm denn, dachte er, erklären, was Dichtkunst ist? Daß sie aufbaut auf der Gnade der Götter? Daß die Ewigkeit mit ihr im Bunde steht?
    Ach, es hätte ja doch keinen Zweck, Banause bleibt Banause. Wenn er wenigstens nicht so sehr aus dem Mund riechen würde. Der Kuß meiner Frau war ein Zeichen ihrer glühenden Verehrung, zu dem sie sich hinreißen ließ. Ich kenne sie doch, sie ist eben keine Banausin. Freilich, in aller Öffentlichkeit hätte sie das nicht tun sollen, vor dem ganzen Hofstaat. Ich werde mit ihr reden müssen …
    »Was hat er denn gesagt?« fragte er den Präfekten.
    »Wer?«
    »Alain Chartier.«
    »Gesagt, Sire?«
    »Ja, er muß doch etwas gesagt haben, vor oder nach dem Kuß?«
    »Nein, Sire.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Man sagt doch etwas in solchen Situationen.«
    »Er hat geschlafen, Sire.«
    Der Dauphin blickte den Präfekten an wie einen Idioten. Warum sagst du das nicht gleich, du Ochse? lautete die stumme Frage, die dem Dauphin auf den Lippen schwebte. Mit einem ironischen Seufzer sagte er: »Das erklärt vieles. Geschlafen hat er also?«
    »Ja, Sire. Schwitzenderweise.«
    »Schwitzenderweise?«
    »Ja.«
    »Und dann hat ihn, obwohl er geschwitzt hat, die Dauphine geküßt?«
    »Ja, Königliche

Weitere Kostenlose Bücher