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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vom Bett und schlürfte mit zögernden, ziellosen Schritten in der Kammer umher. Und ähnlich taten es seine Gedanken.
    Dann aber hatte er den letzten Rest von Schlaf abgeschüttelt.
    Er blickte sich um, ganz so, als suche er im Raum einen vertrauten Gegenstand. Und als er nicht auf seinem Platz war, rief er leise: »Jeanette?«
    Nichts. Keine Antwort. Irgendwo im Haus knackte eine Diele. Doch das war oben, unterm Dach.
    »Jeanette? Wo bist du denn?«
    Nur das Rauschen des Windes in den Ästen der alten Ulme dort draußen war zu vernehmen, und das leise Scharren jetzt, als ihre Zweige über das Dach strichen.
    Chartier seufzte, ungeduldig zunächst, doch dann mit einem Unterton von Besorgnis.
    Er sah sich um. Der vertraute Raum. In der Ecke der Tisch mit seinen Büchern. Auf dem Fußboden wiederum Bücher, zu Stapeln gehäuft. An der Wand daneben hing zwischen den beiden Fenstern ein kunstvoller Teppich. Den kleinen Gobelin hatte ihm die Gräfin von Poitou geschenkt. Er zeigte den Lebensbaum mit der Schlange der Erkenntnis. Ach, die Gräfin, – sie war nicht nur eine Verehrerin seiner Dichtkunst, sie hatte auch sonst noch manches an ihm zu schätzen gewußt.
    Alain lächelte wehmütig. Wieviel Zeit war inzwischen verflossen. Alles schien so lange her, so weit … Jeanette blieb seine einzige Gegenwart. Doch was war in sie gefahren?
    Stiche schmerzten in seiner Brust wie kleine, glühende Nadelspitzen, und dann spürte er, wie der Husten ihm in die Kehle zu kriechen suchte, so, als versuche er ihn an seine Vergänglichkeit, an die Vergeblichkeit seines Tuns zu erinnern.
    Er würde nicht husten. Dieses eine Mal nicht … Die Krankheit hatte für Alain längst Gestalt angenommen, sie war die Ratte, die in ihm nagte, Fetzen aus seiner Lunge riß, sie wieder ausspuckte, so daß sie ihm als blutiger Auswurf in den Mund stieg. Sie peinigte, entsetzte ihn, dies ja, doch eines hatte sie nie vermocht: seinen Schaffenswillen zu zerstören, ihm die Hoffnung auf den Morgen zu nehmen. Es war noch immer ein Stück Weg zu sehen. Und solange dies Herz noch schlug, würde es seine Gedanken befeuern.
    Sein Lebensbaum –, er trieb die letzten Blätter … Aber denken konnte er noch immer. Und denken, bedeutete es nicht auch handeln? Wie viele Jahre hatte er mit dem Studium der Humanitas zugebracht, wieviel edle Ideen entworfen und sie zu Papier gebracht. – Ja, die letzten Blätter am Baum grünten noch immer. Solange Hoffnung ist, etwas zu vollbringen, ist es nicht zu spät.
    Es war, als breche die Sonne durch die Verwirrung, die einem Nebel gleich die letzten Jahre umfangen hatte.
    »Ihr seid ein Patriot wie ich, Chartier.« Es war die Stimme aus dem Bois de Boulogne, die Stimme des alten Mannes, der sich gespenstergleich aus den Schatten der Stämme materialisiert hatte, um ihn zum Handeln aufzufordern: »Frankreich ist in Gefahr.«
    Er aber hatte diesem Satz sein ›ich dichte‹ entgegengeschleudert – eine Antwort ebenso anmaßend wie lächerlich. Denn das Gespenst aus dem Wald war im Recht.
    Hatte er es nicht am eigenen Leib erfahren? Sieben Jahre Königsdienst – sieben Jahre der Tanz auf dem Wollfaden über einem Abgrund. Den Abgrund kannte er noch heute mit all seinen Gefahren. Noch immer erreichten ihn Berichte vom Hof. Doch wie der Dichter des Rosen-Romans hatte er sich gesagt, daß die Zeit sich nicht aufhalten läßt, daß jeder Tag vergeht, ohne je wiederzukehren, so wie das Wasser, das zu Tale stürzt und keinen Tropfen zurückfließen läßt. Die Zeit, gegen die nichts besteht, weder Eisen noch ein anderer harter Stoff, die alles zerstört und zerfrißt, die alle Dinge wandelt, alles wachsen läßt und nährt und alles verbraucht und verzehrt, das Materielle wie das Geistige, meine Träume, mein Fleisch, mein süßes Leben,..
    Dennoch, die Erkenntnis traf Alain Chartier wie ein unerträglich heller Lichtstrahl, dennoch gibt es Dinge, die, gerade weil im Wandel, beständig bleiben.
    Eine Krone kann fallen, geschändet oder dem, der sie trägt, entrissen werden. Die Nation aber bleibt lebendig, muß weiterwachsen, braucht neue Träger und neue Formen. Die Nation ist ein lebendiges Wesen und ihr, ihr gilt mein letzter Dienst.
    Der Alte aus dem Wald hat mich dazu aufgefordert, weil die Schatten der Gefahren wachsen. Bréguérac brachte mir die Einladung, weil ich die Feinde Frankreichs kenne, ob sie nun der Burgunder aussendet oder ob sie sich im eigenen Familienhort der Orleans formieren. – Deshalb hat der Dauphin

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