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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Das schwöre ich Euch, Königliche Hoheit!«
    Zufrieden nickte der Dauphin und trat an eines der hohen Fenster. Im Garten jubilierte der morgendliche Chor der Vögel, ein Gärtner lief durch das taubenetzte Gras. Wie eine Feuerkugel schwamm die Sonne im Dunst des angebrochenen Tages, und zwischen hohen Pappeln blinkten schwach die Dächer von Paris.

VIII
    Noch vor diesen ganzen Ereignissen, noch während der dicke, schwitzende, aus dem Mund riechende Polizeipräfekt in die Stallung seines Hauses Sattelsitz und den Putz der Hufe und des Felles seines Pferdes überprüft und dem bangenden Reitknecht einen ernsten, aber nicht mit Tadel erfüllten Blick zugeworfen hatte, näherte sich vom Jardin d'Acclimatation eine Kavalkade dem verträumten, einsamen Neuilly und sprengte vor das Haus der Brokatstickerin Jeanette, die bei dem Hufegeklapper an den Wagen dachte, der sie nach Beaulieu bringen sollte. Eilig raffte sie daher die gepackten Bündel zusammen, um sie vor die Tür zu tragen. Entsetzt sah sie den Marquis de Bréguérac, den Kommandanten der Garde, und seine Begleitoffiziere aus den Sätteln springen. Ohne zu zögern, stellte sie sich als lebende Barriere in die Tür.
    »Wohnt hier der Dichter Chartier?« fragte lächelnd der große Marquis die kleine Stickerin und lüftete sogar den Federhut ein wenig, wovon Jeanette, aber noch mehr die Begleitung in Erstaunen versetzt wurde. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich mit dem Poeten sprechen ließest.«
    »Alain ist krank«, erwiderte Jeanette, ohne die Tür freizugeben. »Er hat vor wenigen Stunden wieder einen Blutsturz erlitten. Jetzt ist er schwach und schläft.«
    »Wolltest du ihn verlassen?« fragte der Marquis, einen Blick auf die armseligen Gepäckstücke werfend. »Wenn Chartier so krank ist, muß er gepflegt werden.«
    Ein Vorwurf war das, und die Augen des Marquis blickten scharf der verweinten, wie im Fieber zitternden Jeanette ins Gesicht.
    »Ich komme in des Dauphins Auftrag«, sagte er. »Gib den Weg frei.«
    »Ihr wollt ihn morden!« schrie das Mädchen auf und wich keinen Schritt, ja, stieß den auf sie zukommenden Marquis mit der starken Kraft weiblicher Verzweiflung zurück. »Ihr wollt ihn töten, weil die Dauphine ihn im Park geküßt hat! Ich weiß es, alle wissen es, nur er ahnt noch nicht das Unglück, das der Kuß ihm bringt!«
    »Wer küßte mich?«
    Entsetzt fuhr Jeanette herum und hielt die Hand vor ihren Mund, um nicht grell aufzuschreien. Hinter ihr stand, blutüberspritzt, mit bloßer, feuchter Brust, mit flackernden Augen blaß und schmal Chartier, stützte sich mit der Hand an den Türpfosten und starrte Bréguérac, Jeanette und die Uniformierten an, als sähe er in ihnen fremde, traumgeborene Wesen. So ergreifend war der Anblick des vom Tode gezeichneten Mannes, daß selbst der nach Rang und Namen hoch über ihm stehende Kommandant der Garde den Hut vom Kopf nahm und stumm dem Dichter in die glühenden Augen sah.
    Mit langsamen, unsicher tappenden Schritten trat Chartier ins Freie, schloß mit der linken Hand das Hemd über der Brust, als schäme er sich vor den Offizieren, warf seine wirren Haare durch eine schnelle Kopfbewegung in den Nacken und wischte mit der Rechten eine kleine Kruste hellrot erstarrten Blutes aus dem Mundwinkel. Und plötzlich flog ein Lächeln über seine fahlen, fast zerstörten Züge.
    »Die Dauphine hat mich geküßt? Das muß gewesen sein, als ich schlief. Und ich träumte von einem Falter.«
    Chartiers Lächeln verschwand, und er wandte sich direkt an den Kommandanten.
    »Seid Ihr nicht der Marquis de Bréguérac?«
    »Ihr kennt mich?«
    »Wer kennt Euch nicht? Ihr seid der Kommandant der Garde!«
    »Ich komme im Auftrag des Dauphins.«
    Chartier mußte sich nun vor Schwäche mit seiner ganzen Gestalt an den Türpfosten lehnen.
    »Will der um einen Kuß betrogene Gatte«, fragte er müde, »mich für einen Traum zerreißen lassen? Will er, daß ich gerädert werde?«
    Der Dichter zuckte lethargisch die Achseln und trat ins Haus.
    »Ich ziehe nur die Jacke an. Es ist kühl, bis die Sonne eines neuen Tages aufgeht. Erlaubt, daß ich wenigstens nicht mehr friere, ehe sich die Folterknechte meiner annehmen.«
    »Ihr seid befallen von einem einzigen großen Irrtum!« Der kopfschüttelnde Marquis trat an der weinenden Jeanette vorbei auch ins Haus und blieb unter der im Luftzug wie immer hin und her schwingenden Ampel stehen. »Der Dauphin sendet Euch ein Schreiben. Hier ist es. Ich kenne den Inhalt
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