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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht, aber eines ist sicher: Der Dauphin will nicht das von Euch, was Ihr befürchtet. Einem Manne, dessen Leben er fordert, schickt er nicht einen Brief, noch dazu durch mich!«
    Baß erstaunt nahm Chartier den versiegelten Umschlag entgegen, während der Marquis seine Erläuterungen noch fortsetzte, indem er sagte: »Der Brief ist nicht mehr ganz neu, er mußte einige Zeit liegen bleiben. Die Gründe sind: Erstens haben sich gewisse Ereignisse angekündigt, die uns voll und ganz in Anspruch nahmen; wir kamen plötzlich dahinter, daß der Staat auf dem Spiele stand. Und zweitens wart Ihr über Nacht verschwunden und mußtet erst wieder ausfindig gemacht werden. Wie ich mir jetzt aber denken kann, war dafür Euer Krankheitsanfall verantwortlich, der Euch wohl hierher verschlagen hat.«
    Alain Chartier nickte müde.
    Hier stinkt's, dachte der Hochadelige angewidert. Hoffentlich komme ich bald wieder raus hier, sonst wird mir übel. Wann geruht er endlich, den Brief zu lesen?
    Langsam öffnete Chartier den Umschlag, nachdem die Kraft seiner Finger fast nicht gereicht hätte, das Siegel zu erbrechen. Dann begann er zu lesen.
    Der Marquis betrachtete ihn dabei. Ich habe es mit einem Toten zu tun, sagte er sich. Der Dauphin ahnt nicht, mit wem er sich da in Verbindung setzte. Und die Dauphine, wo hatte sie ihre Augen, ihren Geschmack, als sie den küßte?
    Die Ampel ruhte nicht. Der Marquis griff nach ihr und hielt sie fest, da ihn ihr Pendeln maßlos reizte.
    Unheimlich still war es in der düsteren Kammer. Auch von draußen kam kein Ton herein. Dort standen die Offiziere und lauschten, ebenso wie Jeanette, ins Haus hinein. Nur ein Knistern der Kerze in der Ampel wurde ab und zu vernehmbar.
    »Mon cher ami, ich liebe Dichter, die von Königsküssen träumen, denn maßlos ist die Kunst allein im Unterbewußten. Man soll die Sonne loben, ohne Drang, sie zu besitzen.«
    Mit leiser Stimme, die trotzdem plötzlich überlaut den stillen Raum erfüllte, hatte Alain Chartier den Nachsatz des Dauphins vorgelesen, und der Marquis, der in Wahrheit ein ungebildeter, den Künsten keineswegs zugetaner Mann war, wunderte sich über einen solch königlichen Blödsinn.
    Chartier blickte auf, in maßloser Verwunderung, als sei ihm eines der Welträtsel verkündet worden, und sagte zum Marquis de Bréguérac: »Das kann ich nicht glauben.«
    »Was könnt Ihr nicht glauben?«
    »Das, was hier steht.«
    »Und was steht da? Ich kenne, wie gesagt, den Inhalt des Briefes nicht.«
    »Der Dauphin lädt mich zum Hofball ein.«
    Das konnte nun auch der Marquis de Bréguérac nicht glauben, und so stieß er denn hervor: »Zu was lädt der Dauphin ein?«
    »Zum Hofball.«
    Der Marquis fiel völlig aus der Rolle.
    »Unmöglich!«
    »Bitte, überzeugt Euch selbst«, sagte Chartier und überließ dem anderen den Brief.
    »Unmöglich!« stieß der edle Marquis dann noch einmal kopfschüttelnd hervor, obwohl ihm der Text des Briefes keine andere Möglichkeit gelassen hatte, als das zu glauben, was von Chartier gesagt worden war.
    Warum das Ganze unmöglich war, das ging aus der Frage hervor, die der Edelmann an den Dichter richtete: »Was wolltet Ihr denn anziehen?«
    Darauf fand Chartier nicht gleich eine Antwort, und für den Marquis war alles klar.
    »Ihr dürft der Einladung keine Folge leisten«, sagte er. »Das ist die einzige Lösung, auch in Euren Augen, glaube ich. Ihr könnt ja Eure Krankheit vorschützen. Am besten wird sein, ich sage selbst dem Dauphin Bescheid. Ja, das tue ich, ich verspreche es Euch.«
    Sein ganzer Stolz bäumte sich in Alain Chartier auf.
    »Nein!« sagte er mit fester Stimme.
    »Was nein?« fragte überrascht der Marquis.
    »Ich nehme die Einladung an!«
    »Ihr nehmt …«
    Der Marquis verstummte.
    Dann fielen ihm die Damen ein, die am Hofball teilnehmen würden, und entsetzt rief er: »Wozu denn? Ihr werdet nicht zu einem einzigen Tanz kommen!«
    »Zu einem vielleicht doch.«
    »Impossible! Mit wem?«
    »Mit Ihrer Königlichen Hoheit.«
    Verblüfft, ja geschlagen schwieg der Marquis. Gewiß, das war durchaus möglich, der exzentrischen Dauphine mußte man alles zutrauen, gerade im Zusammenhang mit diesem Dichter hier. Bewies das nicht der Vorfall im Bois de Boulogne?
    Eine letzte Hoffnung hegte der Marquis, der inzwischen den Brief an Chartier zurückgegeben hatte.
    »Die Einladung gilt ja«, sagte er, auf den Brief in Chartiers Hand zeigend, »schon für den heutigen Tag.«
    »Ich weiß«, nickte der Dichter. »So
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