Stadt der Lügen
Erklärung geben, ebenso wie für die Dinge, die Alan während seiner Flucht durch das Haus umgeworfen hatte, aber zumindest warf es Fragen auf.
Plötzlich dachte ich an meinen Wagenheber. Hatte ich ihn etwa mit der Hand aufgehoben, an der Alans Blut klebte? Hatte ich Spuren hinterlassen? Vielleicht für das Auge unsichtbare Hinweise, die von der Spurensicherung entdeckt werden konnten? Ich musste das Ding unbedingt loswerden.
Unser Telefon klingelte ununterbrochen. In den meisten Fällen ließen wir den Anrufbeantworter laufen. Wir nahmen nur Anrufe an, wenn wir das Gefühl hatten, dass es unbedingt nötig war. Einmal meldete sich ein Detective von der Polizei Los Angeles. Claire sah mich mit der unausgesprochenen Frage an, ob wir den Hörer abnehmen sollten und wenn ja, wer von uns beiden. Ich dachte mir, es würde vielleicht verdächtig wirken, wenn wir es nicht taten und nahm in dem Augenblick ab, als der Detective begann, eine Nachricht auf Band zu sprechen. Er sagte, er müsse uns einige Fragen stellen. Wir verabredeten uns für elf Uhr bei uns zu Hause. Als ich auflegte, merkte ich, dass Claire mich noch immer merkwürdig ansah.
»Was ist los?«, fragte ich.
Nervös nestelte sie mit ihren Fingern herum; das passierte ihr nur ganz selten. »Ich … ich muss dir etwas sagen«, begann sie zögerlich.
Mein Magen zog sich zusammen. Ich fürchtete, jetzt eine Beichte anhören zu müssen, für die ich in keiner Weise bereit war. »Schieß los«, forderte ich sie auf.
»Er war gestern Abend hier«, sagte sie und blickte mich ängstlich an.
»Hier?«, hakte ich mit überrascht hochgezogenen Augenbrauen nach.
»Er rief an und fragte, ob du zu Hause wärst. Nachdem ich ihm gesagt hatte, du seiest nicht da, flehte er mich an, ob er kommen und mit mir sprechen dürfe. Er sagte, sein Leben hinge davon ab.«
»Worüber wollte er reden?«, fragte ich. Mir war klar, dass wir langsam und Schritt für Schritt vorgehen mussten.
»Er bat mich, dich dahingehend zu beeinflussen, ihn wieder in der Serie spielen zu lassen.«
»Und? Hast du ihm zugesagt?«
Zunächst antwortete sie nicht. Mein Blick schweifte durch das Fenster auf die Terrasse hinaus, wo ich die beiden am Abend zuvor entdeckt hatte. Doch Claire war zu sehr in ihre eigenen Gedanken versunken, um es zu bemerken.
»Um ehrlich zu sein: ja«, antwortete sie nach einer Weile. »Ich weiß nicht genau, warum ich es tat. Er war so … so verzweifelt.«
Ich ließ einige Sekunden verstreichen. »Und wahrscheinlich überlegst du jetzt«, nahm ich den Gesprächsfaden wieder auf, »ob du der Polizei davon erzählen sollst.«
Stumm nickte sie. Mit den Händen in der Hosentasche ging ich ein paarmal auf und ab und fixierte dabei den mexikanischen Teppich. Eine wahrlich vertrackte Situation! Wenn die Polizei erfuhr, dass Alan Kemp sich unmittelbar vor seinem Tod in unserem Haus aufgehalten hatte, würden Fragen gestellt werden und Routineüberprüfungen stattfinden – so zum Beispiel, ob ich tatsächlich die betreffende Nacht in San Francisco verbracht hatte. Es würde ziemlich peinlich werden, wenn herauskam, dass ich nicht dort übernachtet hatte.
»Um wie viel Uhr ist er gekommen?«, fragte ich schließlich.
»Nicht allzu spät«, sagte sie schnell. »Vielleicht neun, halb zehn. Wir haben miteinander ein Glas getrunken, dann fuhr er wieder.«
Sie hatte sich abgewandt und schaute aus dem Fenster auf den Dunst über Beverly Hills. Ich beobachtete sie genau, konnte aber weder Anzeichen verborgener Trauer noch einen großen Verlustschmerz feststellen. Sie hatte ihn nicht geliebt, auch nicht flüchtig. Es war nur der Zauber gewesen; dieser schreckliche, jetzt endlich gebrochene Zauber. Ich atmete tief ein.
»Wusste irgendwer, dass er vorbeikommen wollte?«, fragte ich.
»O nein!«, antwortete sie ein wenig zu schnell und fügte dann hinzu: »Also, natürlich weiß ich es nicht ganz genau, aber ich bezweifele es. Warum sollte es jemand gewusst haben?«
Sie sah mich an, als befürchte sie, ich könne mir einen Grund denken.
»Genau genommen wüsste ich nicht, was sein Kommen mit dem Unfall zu tun haben könnte«, erklärte ich.
»Mit dem möglichen Unfall«, korrigierte sie.
»Na gut.« Ich zuckte die Schultern. »Meinetwegen ›möglicher Unfall‹. Was immer das heißen mag. Wenn du glaubst, es ist wichtig, dass er hier war, dann sag es ihnen eben.«
»Du weißt doch, was sie immer sagen«, sagte sie. »Sie entscheiden, was wichtig ist oder nicht – nicht der
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