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Stadt der Lügen

Stadt der Lügen

Titel: Stadt der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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klopfte meine Hose ab, zog meinen Pullover glatt und wandte mich ihm zu.
    »Setz dich«, sagte er und fuchtelte mit der Pistole vor meiner Nase herum. Auf seinem Gesicht war keine Spur von Lächeln mehr zu sehen; noch nicht einmal ein höhnisches. Dort spiegelte sich nur noch kalte, harte Entschlossenheit.
    »Was hast du vor? Bist du verrückt?«, hörte ich mich sagen. »Leg das Ding weg. Damit kommst du doch nie durch!«
    Er schnaubte verächtlich.
    »Du liebe Zeit, Schmierfink, deine Dialoge sind wirklich das Letzte. Manches, was du für mich geschrieben hast, ist schon schlimm genug, aber dein eigener Kram – Mannomann! Und jetzt setz dich!« Er wies mit der Pistole auf eines der Geräte. Ich ließ mich nieder. Er stand fast unmittelbar vor mir und blickte kopfschüttelnd auf mich hinab.
    »Wir beide müssen uns über ein paar Dinge unterhalten, Schmierfink.«
    Ich holte tief Luft und hoffte, dass er meinen stockenden Atem nicht bemerkte. »Weißt du, Clay«, sagte ich, »diese Sache geht nicht nur dich und mich etwas an. Auch Alan ist darin verwickelt, und ich wüsste gern, was er davon hält.«
    Er blickte mich eine Zeit lang an. Die Pistole wies auf meine Brust. Schließlich lachte er auf. »Ich sehe hier keinen Alan. Ich sehe niemanden außer dir und mir.«
    Ich weiß nicht, warum ich es tat – vielleicht verriet mir mein Instinkt, wo der Bruch zwischen seinen beiden Persönlichkeiten liegen konnte. Jedenfalls wies ich auf die Spiegelwand. »Schau dir das einmal genau an«, sagte ich. »Und dann erkläre mir, wen du da siehst.«
    Fast automatisch folgte sein Blick meinem ausgestreckten Finger. Er hätte es unterlassen sollen. An seinen auf sein Spiegelbild gehefteten Augen erkannte ich, dass ich die Schwachstelle gefunden hatte, nach der ich suchte.
    »Wen siehst du?«, fragte ich mit kontrolliert sanfter Stimme. »Wen siehst du, wenn du dich anschaust? Alan? Du siehst dich selbst, nicht wahr, Alan? Und du willst mir nichts antun, genauso wenig, wie ich dir etwas antun will.«
    Er blinzelte. Mit der freien Hand berührte er sein Gesicht und tastete es nach vertrauten Zügen ab. Ich sah, dass er die Pistole vergessen hatte; sein Arm hing am Körper hinab, der Lauf der Waffe zielte auf den Fußboden.
    »Alan«, sagte ich, »warum legst du die Pistole nicht einfach weg? Und dann reden wir beide wie gute Freunde über unser Problem.«
    Immer noch fuhren seine Finger über sein Gesicht. Über den Augen spreizte er sie und starrte hindurch. Sehr vorsichtig stand ich von meinem Fitnessgerät auf und trat auf ihn zu. »Alan«, redete ich auf ihn ein, »ich nehme jetzt deine Pistole. Verstehst du? Ich nehme dir die Pistole aus der Hand und lege sie an einen sicheren Ort.«
    Mehr hätte ich wirklich nicht getan. Seine einzige Antwort bestand in einer Art Grunzen, das ich für Zustimmung hielt. Aber als ich die Pistole berührte, erkannte ich, wie sehr ich mich geirrt hatte – nicht zum ersten Mal in dieser traurigen Geschichte.
    Er drehte sich mit der Geschwindigkeit eines in die Enge getriebenen Tieres um. Kaum hatte er den Kontakt zu seinem Spiegelbild verloren, gewann Clay wieder die Oberhand. Jetzt waren es Clays Augen, die sich in meine bohrten, und sie brannten vor Wut über die ihm mit einem Trick zugefügte Demütigung. Schon hatte er die Pistole hochgerissen, war bereit, mir mitten ins Gesicht zu feuern. Die Zeit blieb stehen. Ich sah meinem Tod in Zeitlupe entgegen und tat gar nichts. Wie von außerhalb beobachtete ich meine Hände, die aber irgendwie nicht zu mir zu gehören schienen. Sie streckten sich der Pistole entgegen, versuchten, sie abzuwenden. Wir rangen miteinander. Zumindest vermute ich, dass wir rangen. Von meinem Standort aus spürte ich keine Bewegung. Irgendwie erinnerte mich der Zustand an Beschreibungen von Menschen, die an der Schwelle des Todes gestanden und ihren Körper verlassen hatten. Ich fühlte mich dem Tod so nah, dass es vielleicht etwas Vergleichbares war. Unendlich langsam krümmte sich sein Finger um den Abzug.
    Wasser spritzte mir ins Gesicht. Es war eiskalt. Der Schreck verschlug mir den Atem. Er lachte so sehr, dass ich glaubte, er müsse sich setzen. Doch ihm passierte genau das, was mir zuvor passiert war: Er stolperte über eine der Hanteln und fiel wie ein Stein auf den Rücken.
    Ich hörte, wie sein Kopf gegen die scharfe Stahlkante der umgekippten Bank schlug. Das Geräusch war unbeschreiblich – ein brüchiges Knacken mit einem feuchten, weichen Unterton.
    Ich

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