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Stadt der Lügen

Stadt der Lügen

Titel: Stadt der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Ehrlich gesagt waren es zwei, und ich wachte erst nach acht auf. Claire war längst auf den Beinen und frühstückte mit Deborah und dem Kindermädchen.
    In meinem Arbeitszimmer war alles noch an Ort und Stelle, aber ich erkannte bereits beim Booten des Computers, dass Clay wieder da gewesen war. Wieder stand eine Datei namens »Clay« im Verzeichnis. Sie war offensichtlich sehr klein. Ich klickte sie an und fand nur einen Satz:
     
    Lass uns miteinander reden.
     
    Ich gab ein:
     
    Einverstanden.
     
    Seine Antwort kam umgehend.
     
    Ich verlange nur von dir, eine Möglichkeit zu finden, Schmierfink.
     
    Und so ging es weiter.
     
    Ich: Eine Möglichkeit, was zu tun?
     
    Clay: Mich wieder ins Geschäft zu bringen. Mir ist verdammt langweilig, und allmählich reißt mir der Geduldsfaden. Mit anderen Worten: Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.
     
    Ich: Du kannst mir nicht drohen.
     
    Clay: Und wie ich das kann, Schmierfink. Und wie ich das kann!
     
    Und dann geschah etwas, was mich zu Tode erschreckte. Jemand flüsterte mir ins Ohr: »Woran arbeitest du gerade?« Claire war auf bloßen Füßen ins Zimmer gekommen und schaute mir über die Schulter.
    »Himmel!«, schrie ich auf. »Mach das nicht noch mal. Mir ist fast das Herz stehen geblieben.«
    »Tut mir Leid«, gab sie leicht verschnupft zurück. »Ich dachte nur, dass du an einer tollen Sache arbeiten musst, nachdem du gestern die halbe Nacht und heute Morgen schon vor dem Frühstück am Computer gesessen hast.«
    Wieder überkam mich dieses grässliche Gefühl, als ob mein Blut in den Adern gefröre.
    »Die halbe Nacht?«, protestierte ich und drehte mich zu ihr um. »Was redest du da? Ich bin gerade erst aufgestanden.«
    »Du meine Güte, du hast mich um drei Uhr nachts mit dieser blöden Spieluhr aufgeweckt, die die Nationalhymne spielt. Und dann bist du in dein Arbeitszimmer geschlurft und hast vor dich hingegrummelt, du müsstest noch etwas fertig machen.«
    Ich starrte sie entgeistert an. »Machst du dich über mich lustig?«
    »Natürlich nicht. Erinnerst du dich etwa nicht daran?«
    Ich wusste keine wirkliche Antwort. »Ich habe gestern Abend zwei Schlaftabletten eingenommen«, sagte ich. »Ich kann unmöglich gearbeitet haben.«
    Sie zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich haben deine Tabletten nicht gewirkt, denn du hast es getan.«
    Einen Moment lang schwieg ich. Meine Gedanken rasten auf einen furchtbaren Panikabgrund zu. »Weißt du auch, wann ich ungefähr wieder im Bett war?«
    »Erinnerst du dich wirklich nicht?«
    »Sollte ich?«
    »Irgendwann gegen Morgen. Du hast mich geweckt und wir haben uns geliebt. Das kannst du doch nicht vergessen haben!« Ihre Augen leuchteten.
    In meinem Innern entstand eine entsetzliche Leere. »Wir« sollten uns geliebt haben?
    Ich jedenfalls nicht, dachte ich, wagte aber nicht, den Gedanken auszusprechen. Ich jedenfalls nicht.
    »Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte sie. Ihr Gesichtsausdruck wurde ängstlich.
    »Aber sicher«, antwortete ich nicht sehr überzeugend.
    »Vielleicht solltest du einmal zum Arzt gehen.«
    Ich drehte mich zu ihr um und packte sie am Handgelenk. »Wie lange hast du schon hinter mir gestanden?«
    Sie sah mich verdutzt an und sagte: »Nicht sehr lang. Vielleicht eine Minute.«
    »Hast du gesehen, wie ich den Text auf dem Bildschirm eingegeben habe?« Ich wies auf meinen Dialog mit Clay.
    »Das meiste schon, glaube ich.«
    »Das meiste. Also hast du auch gesehen, wie einiges von selbst kam – ohne, dass ich die Tastatur berührt habe, nicht wahr?«
    »Liebster, was ist los?« Sie sah mich ganz merkwürdig an. Ihre Augen suchten meine. »Was hast du? Allmählich machst du mir Angst.«
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte ich so zuversichtlich wie möglich. »Tut mir Leid, aber mit diesem Computer stimmt irgendetwas nicht. Immer wieder tauchen Sachen auf dem Bildschirm auf, die dort nicht hingehören. Ich werde Bob anrufen müssen.«
    Das schien sie zu beruhigen. »Aber das kann bis nach dem Frühstück warten«, sagte sie und nahm mich am Arm. »Du brauchst einen Saft und etwas zu essen.«
    Ich wehrte mich nicht dagegen, weggeführt zu werden.
     
     
    Ich dachte immer wieder darüber nach, bis ich irgendwann überzeugt war, das Problem gefunden zu haben. Ich hatte ihn nie wirklich beseitigt. Nicht endgültig. Am Ende der ersten Staffel hatte er noch gelebt, zu Beginn der zweiten war er tot gewesen. Da sein Tod nicht auf dem Bildschirm zu sehen war, hatte er nie wirklich

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