Stadt der Lügen
Zeuge.«
»Ich glaube kaum, dass du als Zeugin infrage kommst«, entgegnete ich.
»Aber es wird zwangsläufig herauskommen, dass er wieder in die Serie einsteigen wollte und wir ihn abgewiesen haben.«
»Glaubst du?«, fragte ich.
Wieder schwieg sie.
»Stell dir mal vor«, sagte sie schließlich, »stell dir nur mal vor, irgendjemand hat vielleicht doch erfahren, dass er gestern Abend hier war. Wenn ich aber aussage, er wäre nicht hier gewesen, dann sähe es so aus, als wolle ich etwas verbergen, findest du nicht?«
Natürlich hatte sie Recht. Alles hing davon ab, ob jemand davon erfahren haben könnte. Ich persönlich vermutete, dass Clay es wahrscheinlich für sich behalten hatte. Er war auf eine instinktive, über die Norm hinausgehende Art verschwiegen. Für Clay gab es keinen Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge; Hauptsache, es diente dem Ergebnis. Wenn er kein ausgesprochenes Interesse daran hatte, etwas zu tun, dann tat er es nicht. Konnte es für ihn einen wichtigen Grund geben, jemandem zu erzählen, dass er zu uns nach Hause führe? Mir fiel keiner ein, und daher entschloss ich mich, das Risiko einzugehen.
»Hör zu«, sagte ich, »natürlich musst du tun, was du für richtig hältst.« Ich trat einen Schritt auf sie zu. »Aber du weißt auch, wie schnell in dieser Stadt die Gerüchteküche brodelt. Die Leute erfinden einen Skandal auch dann, wenn es nicht den geringsten Anlass dafür gibt.«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte sie. Dabei schaffte sie es nicht, den Anflug einer Abwehrhaltung in ihren Augen zu verbergen. Ich tat, als merkte ich nichts.
»Keine Ahnung«, sagte ich leichthin. »Immerhin gibt es eine Menge Eifersüchteleien. Leute, die uns oder die Serie treffen wollen. Leute, die Geschichten einfach erfinden.«
»Und was denkst du?«, fragte sie mich und sah mir für einen kurzen Augenblick direkt in die Augen.
»Ich denke«, antwortete ich und trat noch einen Schritt näher an sie heran, »wenn du es für richtig hältst, niemandem zu sagen, dass er hier war, wird dir niemand einen Vorwurf daraus machen.«
Sie blickte mich noch einen Moment an, dann schlug sie die Augen nieder und nickte kaum wahrnehmbar. »Du hast Recht«, sagte sie, »wahrscheinlich ist es besser.«
Ich nahm sie in die Arme, und sie entspannte sich an meiner Brust. Sicherlich fühlte sie sich mindestens ebenso befreit wie ich.
Wir gingen zu seiner Beerdigung, schüttelten seiner Familie die Hand und arbeiteten an einem bewegenden Nachruf für die Zeitschrift Variety mit. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich dem Artikel den letzten Schliff verlieh, denn ich bedauerte Alans Verlust ehrlich und aus tiefstem Herzen. Clay hatte ihn getötet, nicht ich. Das war so sicher wie die Tatsache, dass im Film Die Dämonischen Wesen aus dem Universum die Menschen töteten, deren Aussehen sie anschließend annahmen.
Wie dem auch sei, ich hatte meinen Entschluss bezüglich des Wagenhebers in die Tat umgesetzt. Nachdem wir mit dem Detective gesprochen hatten, der ohne Rückfrage Claires und meine Erklärungen akzeptierte, fuhr ich zum Silver Lake. Dort warf ich den Wagenheber so weit es eben ging ins Wasser hinaus und nahm mir vor, irgendwo, wo man mich nicht kannte, einen neuen zu kaufen.
Das Leben ging weiter. Die Ermittler kamen überein, Alan sei gestolpert und habe sich den Kopf eingeschlagen. Die eingetretene Tür blieb zwar ein ungelöstes Rätsel, hatte aber keinen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis. Sicher würde sie hier und da in Anthologien über Todesfälle in Hollywood zur Sprache kommen, aber inzwischen war Alan Kemp ein Fall von gestern, und Clay Granger nur noch ein Fossil in dem Treibsand, den eine endlos weitersprudelnde Fernsehproduktion hinterließ. Nach dem erfolgreichen Casting des Ex-Astronauten begannen wir mit den Dreharbeiten für die nächste Staffel. Wir machten uns große Hoffnungen.
Kurz nach der Beerdigung bat ich Claire, mich zu heiraten, und sie sagte Ja. Die Zeremonie fand in unserem Haus in Anwesenheit von ein paar Hundert unserer engsten Freunde statt – ganz dem abgedroschenen Hollywood-Witz entsprechend.
Die neue Staffel lief hervorragend an; besser noch als die vorige. Ich kaufte mir eine Yacht, die in Marina del Ray vor Anker lag. Manchmal segelten wir über das Wochenende nach Catalina. Claire wurde schwanger. In People erschien ein Artikel über uns. Kurz darauf zogen wir in ein größeres Haus in der Nähe des Benedict Canyon. Zwar war die Aussicht etwas weniger
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