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Stadt der Lügen

Stadt der Lügen

Titel: Stadt der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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eingenommen hatte – wahrscheinlich eines der Mittel, von denen die Mädchen glaubten, es helfe ihnen, in Stimmung zu kommen – aber wenn Zeb herausfand, dass sie high war, würde sie in der Versenkung verschwinden, ehe sie bis drei zählen konnte. Drogen waren am Set streng verboten. Einmal hatte Tom in einem Film mitgearbeitet, bei dem während der Dreharbeiten ununterbrochen gekifft wurde. Das Resultat war so miserabel gewesen, dass der Film keinen Verleih fand. Der Regisseur sowie der größte Teil der Mitarbeiter fanden nie wieder Anschluss an qualitativ hochwertige Produktionen.
    Das Mädchen wurde zum Set gerufen. Tom setzte seinen Spaziergang fort. Eine leichte Brise kam auf. Tom zurrte den Bademantel fester um die Schultern und lauschte dem Klatschen seiner Ledersohlen auf dem Rasen.
    Er setzte sich auf eine Bank, deren grüner Anstrich abblätterte, schlug die Beine übereinander, sah in den blassblauen Himmel hinaus und versuchte, an gar nichts zu denken.
    Doch es funktionierte nicht. Er konnte nicht an nichts denken. In seinem Kopf machte sich ein einziger, raumgreifender Gedanke breit: Amanda, die dort drinnen mit all den Jungs Sex hatte. Und er saß hier draußen in der Kälte, weil er es nicht über sich brachte, dabei zuzuschauen.
    Amanda.
    Verdammt.
     
     
    Als er ihr vorschlug, über das Wochenende nach Carmel zu fahren, spürte er schon am Telefon ihr Zögern. Am liebsten hätte er sofort einen Rückzieher gemacht – ihr versichert, dass er nicht das gemeint hatte, was sie vielleicht vermutete, und dass er ihre Zusage durchaus nicht für selbstverständlich hielt. Aber es war schon zu spät.
    Im Übrigen hatte er sehr wohl das gemeint, was sie vermutete. Allerdings hatte er es nicht so offenkundig zeigen wollen.
    »Tut mir Leid«, sagte er. »Vielleicht kam mein Vorschlag nicht so richtig rüber. Eigentlich wollte ich nur … also, wenn du lieber irgendwo hier in die Nähe fahren möchtest – nur eine Tagestour oder so …«
    »Nein«, unterbrach sie ihn. »Ist schon in Ordnung. Ich möchte gern nach Carmel fahren.«
    Ihre Stimme klang sanft, aber kühl – die Stimme eines Menschen, der eine Entscheidung getroffen hat und auf keinen Fall wünscht, dass man ihn der Unsicherheit verdächtigt. Sie schlug vor, mit seinem Wagen zu fahren und er solle sie am Samstagmorgen gegen zehn abholen.
     
     
    Das Murmeln der Wellen unter der Terrasse, wo sie zu Abend aßen, verbreitete eine entspannende, fast hypnotische Atmosphäre. Amanda wandte den Kopf, um der Spur des Mondes am Horizont zu folgen. Als sie sich wieder umdrehte, sah sie, dass er sie betrachtete. Sie lächelte entschuldigend.
    »Vielleicht erscheint dir das dumm. Entschuldige, aber so bin ich nun einmal.«
    »Ich verstehe schon«, erwiderte er. Am meisten störte ihn, dass es tatsächlich der Wahrheit entsprach. Er verstand, und er fühlte mit ihr. Eine innere Stimme raunte ihm zu, dass seine Sympathie für sie vielleicht geringer gewesen wäre, wenn sie sich anders verhalten hätte.
    Im Auto hatten sie miteinander gesprochen, unmittelbar nachdem er sie vor dem Haus an der Doheny abgeholt hatte, wo sie wohnte.
    »Ich werde heute Nacht nicht mir dir schlafen. Wenn das okay ist, fahre ich mit dir, wohin du willst – Übernachtung im Einzelzimmer. Wenn nicht, dann lass uns nur irgendwo am Strand schön essen gehen. Ich lade dich ein.«
    Beinahe hätte er mit einem flapsigen Spruch geantwortet – etwas Ähnliches wie: »Klar doch! Schließlich bumsen wir die ganze Woche über – wir haben uns eine Nacht Freizeit redlich verdient.« Aber er unterdrückte den Impuls und beglückwünschte sich sofort dafür, denn Amanda strahlte eine merkwürdige Reinheit aus, die eine solche Bemerkung noch roher hätte wirken lassen, als sie ursprünglich gemeint war.
    Was war das für eine Besonderheit, die sie umgab? Eine Art Unschuld vielleicht – aber nicht wie bei einem kleinen Mädchen, das einen mit großen Augen anhimmelt und sich der Weisheit seines Gegenübers unterwirft. Ganz im Gegenteil: Sie war mindestens ebenso intelligent wie er, wenn nicht intelligenter. Aber nie zeigte sie Zynismus. Sie tat ihren Job, weil sie damit Geld verdiente. Weder entschuldigte sie sich dafür, noch beklagte sie sich. Sie neigte auch nicht dazu, ein gewisses Gefühl von Erniedrigung hinter einem übertrieben extrovertierten Verhalten zu verbergen, wie es manche der anderen Mädchen taten. Sie war ruhig, nachdenklich, in sich zurückgezogen und eine angenehme

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