Stadt der Lügen
Schauspieler da oben auf der Leinwand hätte haben können. Ha, ha, ha.
Plötzlich bemerkte er, dass das Mädchen mit ihm sprach. Sie standen an einer belebten Straßenkreuzung, und sie sagte, sie müsse noch einiges einkaufen und dass es nett gewesen sei, ihn kennen zu lernen. Sie streckte ihm die Hand hin und er schüttelte sie.
»Tom Shaughnessy«, stellte er sich vor.
»Amanda Higgins«, sagte sie.
»Darf ich Sie wiedersehen?«, fragte er und folgte damit dem dritten Impuls innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne.
Sie zögerte kaum merklich und erklärte dann, sie sei noch ein paar Tage in der Gegend und äße manchmal in dem Lokal, in dem sie sich getroffen hatten. Er beließ es dabei und sah ihr nach, als sie weiterging. An der Straße drehte sie sich noch einmal um und schenkte ihm ein Lächeln, bei dem er sich fragte, wie viele Tassen Kaffee er in dem Lokal trinken müsste, ehe er sie wiedersah; denn wiedersehen wollte er sie unbedingt. Doch unmittelbar darauf sagte er sich, dass das Unfug sei.
Plötzlich bemerkte er, dass der Fahrer eines Müllwagens ihn erkannt hatte und begeistert in Toms Richtung weisend seinen Kollegen zuwinkte.
Tom setzte seine Sonnenbrille auf und machte sich eilig auf den Weg. Er hoffte nur, dass Amanda den Vorfall nicht bemerkt hatte.
Die angemietete Location war etwas größer als üblich. Es handelte sich um eine Villa mit Innen-Swimmingpool in Hancock Park. Das Haus stand leer und wurde als Hotel dekoriert, in dem jedes Mal, wenn man nach dem Zimmerservice klingelte … nun ja, der Film hieß Hotel der gierigen Lippe.
Tom wartete im Bademantel, während Zeb, der Regisseur mit seiner ewigen Sonnenbrille, der Baseballkappe und dem ungepflegten Dreitagebart, die nächste Einstellung am Pool mit dem Beleuchter besprach. Plötzlich wandte er sich an Tom und fragte, ob er seine Filmpartnerin »Torrid Flame« schon kennen gelernt hätte. Tom verneinte.
Auf der gegenüberliegenden Seite entstand Bewegung. Eine Spiegeltür ging auf, und ein Mädchen kam herein. Sie trug den gleichen Bademantel wie Tom und stöckelte auf feuerroten Pfennigabsätzen auf ihn zu.
Ihr Haar war toupiert, um dem Gesicht einen weicheren Rahmen zu verleihen, aber mit dem Make-up war man sehr sparsam umgegangen. Es unterstrich ihre frische, sehr natürliche Schönheit. Vor Tom stand Amanda Higgins.
»Torrid Flame.« Zeb stellte die Schauspieler einander grundsätzlich nur mit den Künstlernamen vor. »Dick O’Toole. Okay, ihr kennt das Drehbuch. In fünf Minuten sind wir so weit.« Mit diesen Worten wandte er sich wieder dem Beleuchter zu.
Tom und Amanda schlenderten zum anderen Ende des Wintergartens, in dem der Pool untergebracht war. Vor den Scheiben wucherte üppiges Grün.
»Soziologie«, bemerkte Tom trocken. »Das ist doch die Wissenschaft vom Umgang der Menschen miteinander – alle Spielarten, nicht wahr?«
Sie hob die Augenbrauen, sah ihn an und sagte: »Ich vermute, was wir dort in diesem Pool treiben sollen, gehört in den Fachbereich Meeresbiologie.«
Er schwieg und hoffte, sein Blick war hart genug, um wie ein Mann zu wirken, der sich keine besonderen Gedanken um diese Frau machte. In Wirklichkeit fürchtete er allerdings, dass er sich unentrinnbar und unausweichlich verrannt hatte.
»Wusstest du, wer ich bin, als du dich in dem Lokal zu mir gesetzt hast?«, fragte er.
»Ja natürlich«, sagte sie und lächelte ihn an. Ihre Zähne waren klein, weiß und völlig regelmäßig. Die obere Zahnreihe stand leicht über und sorgte für eine Art Lächeln im Lächeln, das absolut entwaffnend wirkte. »Der Assistent von Zeb hat von der Tür aus auf dich gezeigt. Mich wundert, dass du ihn nicht gesehen hast.«
»Hm«, brummte Tom. »Sehr witzig.«
»Ich dachte, du würdest mich vielleicht erkennen«, fuhr sie fort. »Aber wahrscheinlich siehst du dir nicht allzu oft Hardcore an, oder?«
»Ich pflege keine Arbeit mit nach Hause zu nehmen.« Seine Antwort kam viel zu schwerfällig; als hätte er keinen Humor.
»Ich weiß, du bist mehr der Typ für großes klassisches Theater.« Sie warf ihm einen wissenden Seitenblick zu.
Und wieder einmal wurden ihm die Worte von einem spontanen Impuls diktiert, dem er trotz seiner selbst aufgestellten Regel, sich nie mit den Mädchen einzulassen, mit denen er arbeitete, nicht widerstehen konnte.
»Okay«, sagte er mit einem Lächeln, von dem er hoffte, es sähe aus, als könne er sich gutmütig über sich selbst lustig machen, »eins zu null für
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