Stadt der Lügen

ein so genannter Bindestrich-Mann, Produzent und Regisseur in einer Person, der eine der populärsten derzeit im Fernsehen laufenden Serien kreiert hatte. Offenbar hatte Lenore ihm bereits von Gail erzählt, denn er wusste, dass sie in Chicago studiert hatte, und erklärte, dass er einige Schauspieler, die dieser Schule entstammten, sehr bewunderte. Er lud sie zum Dinner ein. Als sie die Party verließen, um in seinen glänzenden schwarzen Porsche zu steigen, drückte Lenore Gails Hand und flüsterte: »Jetzt liegt es an dir, Süße. Mach was draus!«
    Sie speisten in einem luxuriösen Restaurant am Strand, wo man Marty wie einen König behandelte. Auf dem Weg zu ihrem Tisch schüttelte er unzählige Hände und winkte hierhin und dahin. Gail dachte, dass das ein tolles Gefühl sein müsste.
    Während des Dinners lenkte sie die Unterhaltung von sich selbst ab. Sie zeichnete ein Bild derartiger Vorstadtlangeweile, dass Marty gerne die Gelegenheit wahrnahm, von sich selbst zu sprechen. Sie hörte ihm gern zu, als er von seinem Leben sprach, von Leuten, die er kannte, von Hollywood und Gails Möglichkeiten, ein Teil davon zu werden.
    Irgendwann während des Menüs meinte Marty, sie solle in der Folgewoche in seinem Büro vorbeikommen und an einem Probesprechen für eine Rolle in seiner nächsten Show teilnehmen.
    Beim Dessert schlug er vor, Kaffee und Digestif in seiner Wohnung zu nehmen, die nur ein Stück die Küste hinauf in Malibu Colony lag. Gail stimmte mit einem Lächeln zu, das ihm sichtlich das Herz wärmte.
    Es war genau, wie sie es sich immer gesagt hatte: Sex musste eine Bedeutung haben.
     
     
    Drei Jahre später war Gail nur mit sieben anderen Männern im Bett gewesen und lediglich zweimal vom Ergebnis enttäuscht worden. Beim ersten Mal hatte ein Produzent sie schlicht angelogen, als er ihr eine Rolle versprach, die längst anderweitig vergeben war; beim zweiten Mal wurde der entsprechende Herr unerwartet von seinem Studio gefeuert, ehe er ihr wirklich nützlich sein konnte.
    Zu diesem Zeitpunkt allerdings war sie bereits eine etablierte Fernsehschauspielerin, und als Ben Kanter sie zum Lunch einlud und nicht die geringste Andeutung machte, mit ihr schlafen zu wollen, wusste sie, dass es mit ihrer Karriere nun aufwärts gehen würde.
    Dank Bens Einfluss bekam Gail innerhalb eines Monats die erste Miniserie. Sie lud Lenore ein, das Ereignis mit ihr bei Hummer im The Palm in Santa Monica zu feiern. Die beiden waren inzwischen Freundinnen geworden und verstanden einander. Von Anfang an hatte Gail gewusst, dass Lenore eine Produzentin war, die wenig mehr als Bekanntschaften zwischen hübschen Mädchen und reichen Männern produzierte. Schon beim ersten Betreten des Hauses in Coldwater kam ihr der Verdacht, bei Lenore könne es sich um eine Art hochklassiger Puffmutter handeln.
    Das stimmte zwar, aber nur zum Teil. Nach wie vor war es von unwiderlegbarem Interesse, in Lenores Gesellschaft gesehen zu werden. Lenore hatte tatsächlich bei einigen Filmen die Hand im Spiel gehabt. Manchmal tauchte ihr Name als Koproduzentin auf der Leinwand auf; die etwas vage Beschreibung bedeutete oft nichts anderes, als dass Lenore einen Teil der Rechte am Drehbuch oder auch nur an der Idee besessen und sie vor der endgültigen Produktion weiterverkauft hatte. Die Filme selbst waren mit niedrigstem Budget unabhängig finanziert, aber immerhin respektable Streifen. Sie verschafften Lenore eine bescheidene, manchmal schwankende Legitimierung. Gail deckte das positive Ende dieses Spektrums ab, und Lenore erwartete nichts anderes von ihr, als im Dunstkreis ihres aufkeimenden Erfolgs zu stehen. Bei einigen der anderen Mädchen, die Gail bei Lenore kennen gelernt hatte, handelte es sich mit Sicherheit um hochklassige Callgirls. Gail fragte nie nach den Abmachungen, die Lenore mit diesen Mädchen traf, doch sie vermutete, dass dabei Geld den Besitzer wechselte und bestimmte Prozentsätze ausgehandelt wurden. Doch solche Themen kamen zwischen Gail und Lenore nie zur Sprache. Die Ältere schien wirklich glücklich über die guten Fortschritte ihres Schützlings zu sein, ohne darauf herumzureiten, dass sie selbst sie mit einigen der Männer bekannt gemacht hatte, die dafür verantwortlich waren.
    Für Gail war es ein großer Schock, als ihr erster Spielfilm floppte. Sie sagte sich wieder und wieder, dass es eigentlich hätte klappen müssen. Das Drehbuch war spannend, der Regisseur hatte kurz zuvor einen soliden Hit gelandet, und das