Stadt der Lügen
sich zurück, ließ die Worte über sich hinwegplätschern und genoss die Aussicht. Sie wollte Lenore aussprechen lassen, ehe sie ihr bestimmt, aber höflich mitteilte, dass sie keine Schauspielerin mehr war.
»Wenn du willst, kannst du eine Rolle haben. Ich habe schon mit Joe darüber gesprochen; er hat nichts dagegen. Eine tragende Rolle. Ich weiß, du heiratest bald, aber es tut doch nicht weh, ein bisschen eigenes Geld zu verdienen. Sie werden dich umso mehr respektieren. Eine schwierige Familie – ich kenne sie.«
Das war eine Lüge und Gail wusste es.
»Sie ist zwar schwierig, aber alle sind ausgesprochen talentiert«, fuhr Lenore fort. »Liegt wohl in den Genen. Aber lass mich dir noch von der Show erzählen. Es geht um einen aus dem Dienst geschiedenen amerikanischen Polizisten, der nach Paris zieht. Vielleicht auch nach London, das wissen wir noch nicht genau. Wir müssen uns zwischen zwei Super-Angeboten entscheiden -Joe arbeitet gerade daran. Wie dem auch sei – der Polizist ist in Amerika nicht sehr glücklich gewesen, seine Frau ist tot, die Kinder verheiratet oder im College oder so etwas, und er möchte ein neues Leben beginnen. Also sucht er sich einen Job als Privatdetektiv in Paris. Oder in London.«
Gail hörte ohne wirkliches Interesse zu. Sie wartete lediglich auf die Beschreibung der Rolle, die sie übernehmen sollte. Doch da kam nichts. Nach einiger Zeit wurde ihr klar, dass es in der Beschreibung überhaupt an weiblichen Rollen fehlte, bis vielleicht auf die eine oder andere Randfigur. Immer ging es nur um diesen Polizisten … Bis sie plötzlich bemerkte, dass sie hier um einen Gefallen gebeten wurde.
Sie sollte Clark Conrad bitten, für Lenore Holloway eine Fernsehserie zu produzieren.
»Ich sehe schon, dir gefällt das Projekt. Toll, nicht wahr? Ich wusste, du würdest das Potenzial darin erkennen.«
Gail musste sich wohl vorgebeugt haben. Sie war sich der Bewegung nicht bewusst, aber sie spürte, wie ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht wich.
»Es wäre die beste Sache, die Clark je produziert hat.« Lenore füllte Gails Glas nach. »Er wird mit einer völlig neuen Generation in Kontakt kommen. In einer solchen Rolle hat man ihn noch nie gesehen. Sie ist ihm wie auf den Leib geschrieben.«
Gail suchte nach den richtigen Worten, um Lenores verrückter Idee von vornherein den Garaus zu machen.
»Lenore, Clark ist ein altmodischer Filmschauspieler. Nie im Leben würde er für das Fernsehen arbeiten. Punktum. Solche Leute machen kein Fernsehen.«
»Das kann sich doch ändern. In unserem Geschäft ändert sich vieles. Clark Conrad ist nicht mehr der, der er vor zehn Jahren war.«
»Er ist immer noch ein großer Star.«
»Wir zahlen ihm jeden Preis.«
»Er ist doch jetzt schon reicher als der liebe Gott.«
»Er ist Schauspieler. Kein Schauspieler verzichtet freiwillig auf eine große Rolle. Und jeder Schauspieler, der mit Leib und Seele diesem Beruf verschrieben ist, würde seine Mutter umbringen, um diese Rolle zu kriegen. Lies das Drehbuch. Es ist toll, du wirst sehen.«
Lenore schob ein Script über den Tisch, das Gail bis dahin noch nicht bewusst registriert hatte. Offenbar war es eigens für dieses Gespräch bereitgelegt worden.
»Ich lese es. Natürlich lese ich es, Lenore.« Gail wusste nicht, was sie sonst sagen sollte, und nahm das ziemlich zerfleddert wirkende Drehbuch an sich.
»Es ist noch nicht die endgültige Fassung«, redete Lenore weiter. »Wir können noch Änderungen vornehmen und sind allen Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen. Du solltest es auch sein. Nur so entsteht Kreativität. Wichtig ist dieser wunderbare Protagonist. Eine ganz tolle Figur.«
Gail sah auf die Uhr, entschuldigte sich und fuhr zurück in ihre Wohnung nach West Hollywood. Greg holte sie zum Abendessen ab; die Nacht verbrachten sie bei ihm zu Hause. Sie erzählte ihm nichts von ihrem Treffen mit Lenore – das hatte sie auch nie vorgehabt. Am folgenden Tag las sie das Drehbuch, und ihr Herz sank mit jeder Seite. Es war noch viel schlechter, als sie befürchtet hatte. Als sie fertig war, kuschelte sie sich auf ihren Kissen vor dem Fenster zusammen und dachte darüber nach, wie sie die Sache am besten abwenden konnte. Schließlich rief sie Lenore an und sagte, sie käme auf einen Sprung vorbei.
Dieses Mal blieben sie im Haus, denn es war schon dunkel. Lenore schenkte Drinks ein und kam sofort auf das Geschäft zu sprechen.
»Hast du mit ihm geredet?«
»Lenore, ich habe gerade erst
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