Stadt der Lügen
Studio hatte nicht geknausert, wenn Geld gebraucht wurde. Auch die Kritiken waren durchweg ermutigend gewesen. Doch kein Mensch wollte den Film sehen. Tief in ihrem Innern wusste Gail, dass es an ihr lag. Alle anderen wussten es übrigens auch. Sie hatte nicht das Zeug dazu, einen Film zu tragen. Vielleicht war sie einfach keine Schauspielerin, die sich für die große Leinwand eignete.
Ihre nächste Rolle spielte sie an der Seite von Clark Conrad. Er war einst ein wirklicher Weltstar gewesen, doch diese Zeit gehörte der Vergangenheit an – vor allen Dingen, weil er mit zweiundsechzig immer noch die Überzeugung vertrat, auf Jahre hinaus Vierzigjährige spielen zu können. Doch obwohl die großen Studios nicht mehr interessiert waren, wurden seine Filme gedreht. Immerhin war er der Sohn eines der ersten Pioniere der Filmindustrie, seine Tochter galt als Hollywoods derzeit größter weiblicher Star, und sein Sohn hatte in Folge drei absolute Megahits produziert; in keinem der drei stand sein Vater vor der Kamera.
Clarks neuester Film wurde von seiner eigenen Gesellschaft produziert und durch Vorabverkäufe im Ausland finanziert. Keine unabhängige Schauspielerin hätte eingewilligt, die zweite Geige neben Clark Conrad in einer Produktion seiner eigenen Eitelkeit zu spielen, doch für Gail war es zu diesem Zeitpunkt das einzige ernst zu nehmende Angebot und eine mögliche zweite Chance im Spielfilmbereich.
Der Film verkaufte sich vor allem im Fernen Osten recht gut, wo das Publikum Clark Conrad noch immer verehrte, aber auch in Frankreich und Italien stellte sich ein Überraschungserfolg ein. Der Streifen wurde in diesen Ländern zum Kultfilm hochstilisiert – ein Ergebnis, das von den Machern niemals beabsichtigt worden war. Aber Hit ist Hit. Der Film spielte einen ordentlichen Profit ein, und alle waren zufrieden.
In Amerika allerdings ging er sang- und klanglos unter und verwies Gail Prentice auf einen Rang unter »ferner liefen« im Filmgeschäft. Natürlich konnte sie zurück zum Fernsehen. Ben würde ihr Jobs besorgen, aber der Makel des Versagens hing ihr an und ihr Glanz verblasste. Sie wusste, dass sie demnächst nur noch von einem untergeordneten Mitglied der Agentur vertreten werden würde. Im Großen und Ganzen bot Gregory Conrads an Besessenheit grenzende Leidenschaft für sie die besten Zukunftsaussichten.
Gregory war der jüngere von Clark Conrads beiden Söhnen und entstammte seiner dritten Ehe. Stephanie, der Star, war Sprössling aus erster Ehe, John, der Produzent, aus zweiter Ehe. Greg war freundlich, nicht besonders ehrgeizig und ein wenig langsam, aber äußerst gutmütig. Außerdem hatte er einen großartigen Körper und gehörte der Upperclass von Hollywood an. Er arbeitete in der Produktionsfirma mit, die die Filme seines Vaters auf den Markt brachte – wie der, in dem Gail mitgewirkt hatte.
»Ich konnte kaum glauben, dass es wirklich mir passierte«, verriet sie einem der Klatschmagazine. »An jedem Drehtag konnte ich spüren, dass zwischen Greg und mir etwas wuchs. Er war immer am Set, wenn ich drehte, und ich fühlte, wie er mich auch hinter der Kamera unterstützte. Lange Zeit redeten wir nicht darüber. Wir wollten beide unser Bestes für den Film geben, an dem wir arbeiteten, und das erfordert ein mehr als hundertprozentiges Engagement.«
Sie hatte noch davon gefaselt, dass es »eine große Ehre war, mit Clark Conrad vor der Kamera stehen zu dürfen«, aber die dick aufgetragene Schmeichelei brach keinerlei Eis, als es im Familienrat darum ging zu entscheiden, ob sie würdig genug war, in die Reihen der Conrads aufgenommen zu werden.
Greg war mit ihr ins Haus seiner Eltern in Palm Springs gefahren. Man war der Meinung, sie sei einkaufen gegangen, aber sie hatte sich in letzter Minute entschlossen, sich umzuziehen, und war noch im Haus, als der Streit losging. Zwar befanden sich die drei Conrads im entgegengesetzten Flügel des Hauses, aber es genügte, das Fenster zu öffnen und die Ohren ein wenig zu spitzen, um alles mitzubekommen.
»Du lieber Himmel, reicht es dir denn nicht, eine Affäre mit ihr zu haben?« Gregs Mutter schrie es fast heraus. »Eine wie die kannst du doch jederzeit und überall bekommen. Aber so etwas heiratet man doch nicht!«
»Ach Mom, ich verstehe gar nicht, was ihr gegen Gail habt«, hörte sie Gregs schwachen Protest.
»Wir sind wirklich keine Snobs, Greg.« Das war Clarks Stimme. »Aber deine Mutter hat vollkommen Recht. Du siehst es vielleicht
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