Stadt der Lügen
nicht so, aber ganz ehrlich, du bist auch nicht gerade der Hellste. Das Mädchen hat dich mit Haut und Haaren an der Angel und spielt mit dir wie mit einer Marionette.«
Gail schlüpfte aus dem Haus, ehe man sie entdeckte. Sie hatte genug gehört und fand ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Auf dem durch mauerbewehrte Millionen-Dollar-Wochenendhäuser entlangführenden Weg zu den Geschäften überdachte sie ihre Situation.
Es stimmte, dass sie von dieser Hochzeit vor allen Dingen einen gesicherten Platz in Hollywood und der restlichen Welt erwartete, den sie aus eigener Kraft nicht erreichen konnte. Sie würde die Schauspielerei aufgeben und sich für einige Zeit damit begnügen, Hausfrau und vielleicht Mutter zu sein. Danach wollte sie gern in die Produktion einsteigen. Sie war intelligent und hatte Ideen. Mit dem Namen Conrad und dem nötigen Geld in der Hinterhand konnte der Erfolg nicht ausbleiben. Das wusste sie.
Gail erforschte ihr Gewissen, ob es Beweise gab, dass sie Greg in irgendeiner Weise unfair behandelte. Auf sexuellem Gebiet hatte sie ihm Dinge gezeigt, die ihm völlig neu waren und von denen er nicht genug bekommen konnte. Außerdem verwöhnte sie ihn auch sonst, stärkte sein Selbstvertrauen und machte ihm Mut, was ihm von seinen Eltern immer vorenthalten worden war. Wenn das keine Liebe war – was dann?
Am selben Abend gingen sie zu viert zum Dinner zu Don the Beachcomber’s, wo ein illustres Publikum verkehrte. Irgendwann standen Frank, Dean und Sammy auf, kasperten herum und stifteten die Band zu einem kleinen Privatkonzert an – diese Art Abend eben.
Als sie zurückfuhren – Greg chauffierte –, waren sie zwar still, doch Gail konnte keinen offenen Groll bemerken. Während der folgenden beiden Tage arbeitete sie hart, damit es so blieb. Vor allen Dingen wollte sie eine Konfrontation vermeiden, denn dabei konnte sie nur verlieren. Sie tat alles in ihrer Macht Stehende, um sich mit einer Aura der Bescheidenheit und Verletzlichkeit zu umgeben, in die sie eine Prise Verwirrung mischte, um so den Anschein des kalt berechnenden Miststücks zu zerstreuen.
Einen Monat später führte Gregs Mutter Gail zum Lunch ins Chasen’s. Während des Gesprächs spürte Gail eine neue, wenngleich kühle Intimität. Man hatte sie akzeptiert – widerwillig zwar, aber man hatte es getan.
Und dann trat Lenore wieder auf den Plan. Kaum hatte Gail den Hörer abgenommen, da wusste sie auch schon, dass Lenore mit Geldproblemen kämpfte. Zwar sprach sie noch immer mit ihrer Trompetenstimme, doch der Klang war hohl geworden. Sie erzählte, sie sei ein paar Monate in Europa gewesen, um »eine große, internationale Serie auf die Beine zu stellen«, aber sie wolle darüber nicht am Telefon reden. Gail stimmte erst nach langer Überzeugungsarbeit zu, sie auf einen Drink zu besuchen.
Lenore wohnte nicht mehr in dem Haus in Coldwater, sondern in einem kleineren am Mulholland Drive. Es gehörte ihrem Partner bei dem europäischen Projekt, einem Produzenten, der Gail vor einiger Zeit eine wichtige Rolle in einem Fernsehfilm gegeben hatte. Gail war froh, dass er noch in London war, denn just in diesem Haus hatte sie ihm zur Absicherung der Vereinbarung einen Service bieten müssen, an den sie sich nicht gerne erinnerte. Sie hatte durchaus keine Lust, ihn wiederzusehen.
Sie saßen auf der Terrasse und nippten an ihrem Chardonnay. Im Dunst zitterten die Lichter der Stadt unter ihnen. Nach dem Austausch einiger Höflichkeiten und einem Plausch über die bevorstehende Hochzeit – mit Unbehagen gestand sich Gail ein, dass sie vermutlich nicht umhinkonnte, ihre alte Freundin dazu einzuladen – kam Lenore schließlich auf den Punkt.
»Diese Serie ist etwas ganz Neues und äußerst originell. Joe und ich sind schon ganz aufgeregt.« Joe war der Hauseigentümer, jener Mann, den Gail weder jemals wiedersehen, noch irgendwie mit ihm geschäftlich zu tun haben wollte. »Wir werden eine Menge Geld ausgeben müssen – das meiste haben wir schon unter Dach und Fach –, und alle Sender sind interessiert. Wirklich alle. Und wenn die Angebote von den Sendern nicht stimmen, dann arbeiten wir eben als Zusammenschluss. Darin liegt sowieso die Zukunft. Immer mehr Shows werden auf diese Weise finanziert. Doch selbst ohne diese Option könnten wir den Deal über Vorverkäufe im Ausland ohne Probleme in trockene Tücher bekommen. Wir produzieren auf jeden Fall und es wird eine Riesensache.«
So weit nichts Neues. Gail lehnte
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