Stadt der Lüste
seines Hauses aufgenommen. Er ist eben buchstäblich hausbacken, dachte Emma. Sonia Morgan hatte für eine Urlaubsreise über fünftausend Pfund ausgegeben. Das war ziemlich ungewöhnlich für die vorsichtige Sonia, aber warum sollte sie nicht auch einmal ihren Spaß haben? Eds Finanzen befanden sich in einem absoluten Chaos. Überziehungen, Darlehen und Kreditkartenrechnungen hatten sein Konto über Gebühr strapaziert. Dominic Lester und Nicola Morris waren eher unauffällig. Emma musste lächeln, als sie sah, wie viel Geld Jane Bennett für Kundenkarten von Modegeschäften ausgab. Das war ihr leider überhaupt nicht anzusehen. Ian Cameron hingegen schien gewissenhaft zu sparen.
Die Informationen über Lomax stellten sich als etwas spärlicher heraus. Die Agentur war nicht mit einer lebenden Person zu vergleichen und unternahm so gesehen nichts aus eigenem Antrieb. Die Informationen beschränkten sich auf die Bankunterlagen der letzten drei Jahre, und in ihrem übermüdeten Zustand konnte Emma aus der Auflistung von Krediten und Lastschriften noch keine Schlüsse ziehen.
Doch dann hielt sie inne.
Sie las noch einmal die beiläufige Bemerkung, die Tom auf Tony Wilsons Dossier geschrieben hatte.
»Die Scheidung scheint ihm gutgetan zu haben.«
Tony war geschieden?
Als sie Tonys Unterlagen durchblätterte, fiel ihr auf, dassgemeinsame Konten mit seiner Frau auf ihn umgeschrieben worden waren und sie offenbar das Haus verkauft und den Erlös geteilt hatten. Tonys Anteil lag auf einem Festgeldkonto. Auf einem Formular für einen Mobilfunkanbieter gab er an, Mieter eines Hauses in Whitton zu sein, doch in seinen Bankunterlagen fand Emma keinen Hinweis auf regelmäßige Mietzahlungen. Tonys Kontobewegungen bestanden hauptsächlich aus Barabhebungen. Tom hatte den Unterlagen einen kurzen Bericht über Tonys Ex-Frau beigefügt. Entgegen Eds in halb betrunkenem Zustand dahergebrabbelter Theorie, Tony habe sie umgebracht, freute sie sich ihres Lebens. Aber warum gab Tony vor, immer noch verheiratet zu sein, wenn das nicht der Wahrheit entsprach? Schämte er sich für die Scheidung? Er war auch sonst eher zurückhaltend, vielleicht betrachtete er sie ja als Privatangelegenheit, die er für sich behalten wollte. Doch Emma vermutete, dass mehr dahintersteckte. An der Wall Street existierte ein Grundsatz: Letzten Endes ging es immer entweder um Geld oder um Sex. Wenn man beides miteinander verbinden konnte, umso besser. Anscheinend war sie nicht die einzige Person bei Lomax, die etwas zu verbergen hatte.
Matt kam ins Wohnzimmer und setzte sich auf einen Sessel. Emma betrachtete ihn. Er sah müde, aber trotzdem sehr anziehend aus.
»Von wem waren die Briefe?«, fragte er neugierig.
Da fiel Emma der zweite Brief wieder ein. Sie öffnete den Umschlag.
Auf einem Blatt Papier mit Lomax-Briefkopf stand eine kurze, dreizeilige Nachricht in einer Schriftart,die anders war als die in der Agenturkorrespondenz übliche. Emma kam die Schrift bekannt vor, noch ehe sie die Zeilen gelesen hatte. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wo sie dieses Schriftbild schon einmal gesehen hatte. Die Nachricht lautete:
Ich weiß, wer du bist (Morse Callahan)
und was du vorhast.
Erzählst du es den anderen, oder soll ich das tun?
Keine Unterschrift.
Plötzlich fiel ihr ein, woher sie die Schrift kannte.
»So ein Mistkerl«, zischte sie und war mit einem Mal hellwach.
»Was ist?«, fragte Matt.
»Jemand glaubt, dass er mich durchschaut hat«, sagte sie.
»Woher willst du das wissen?«
Sie zeigte ihm das Blatt.
»Und was machst du jetzt?«
»Ich verwende es gegen ihn. So leicht lasse ich mich nicht einschüchtern«, sagte Emma.
»Woher willst du wissen, dass es ein er ist?«
»Ich weiß es einfach. Glaub mir.«
Emma betrachtete Matt. Er bot eine willkommene Ablenkung von Lomax, da er nur am Rande etwas mit der Agentur zu tun hatte. Er saß mit gespreizten Beinen da, und seine Jeans war im Schritt leicht verwaschen. Emma überlegte. Es gab ohnehin nichts, was sie jetzt wegen Lomax unternehmen wollte oder konnte.
»Lass uns nach oben gehen und irgendwas Schmutziges machen«, sagte sie zu ihm.
Zehn Minuten später, nachdem er sie schweigend die Treppe hinauf ins Schlafzimmer geführt und ausgezogen hatte, stellte sich Matt hinter sie. Emma kniete auf allen vieren an der Bettkante, so dass sie ihm ihren Hintern entgegenstreckte. Bei ihrer Ankunft war es in der Wohnung kalt gewesen, und obwohl sie sofort die Heizung aufgedreht
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